Die Kirche und das Geld

Filmgespräch: »Woran glaubt der Osten?« – das sollte das Thema einer neuen MDR-Dokumentation sein. Herausgekommen ist das Werk »Ewige Schulden. Ostdeutschlands Kirchen und die Staatsleistungen«. Nach der Voraufführung wurde heftig diskutiert.

Von Diana Steinbauer

Interessierte und auch Protagonistinnen und Protagonisten des Beitrages konnten sich das Werk schon am 7. Februar bei einer Voraufführung im Erfurter Augustinerkloster anschauen. Und im vollbesetzten Luthersaal des Klosters staunten viele der handelnden Personen nicht schlecht, was aus der Ursprungsidee »Was glaubt der Osten?« geworden war: Es geht überhaupt nicht darum, was Menschen in Mitteldeutschland glauben oder wie sich die Kirchen auf die veränderte Situation der Seelsorge und Finanzierung im 21. Jahrhundert einstellen. Stattdessen stellt der Film die Kirche als Finanz- und Machtmaschine dar.
So wird behauptet, die Evangelische Kirche des Ostens hätte sich nach der Friedlichen Revolution von der Westkirche »schlucken lassen«, das in der BRD bewährte System der Kirchensteuern und Staatsleistungen einfach übernommen und sich hin zum Geld und weg von ihren Gläubigen orientiert. Von den Staatsleistungen, die in Verträgen der Kirchen mit den Ländern ausgehandelt worden sind, wird stets als »Privilegien« gesprochen. »Es geht um uralte Vereinbarungen«, die die Kirchen sich gerade auch in Mitteldeutschland, wo nur noch wenige Menschen einer der beiden Kirchen angehörten, teuer bezahlen ließen. Christhard Wagner, Beauftragter der Evangelischen Kirche beim Thüringer Landtag, und Winfried Weinrich, ehemaliger Leiter des Katholischen Büros, werden als gerissene Lobbyisten dargestellt, die durch ihre Einflüsterungen und Machenschaften die Schatzkammern der Kirchen füllten.
Die Vorwürfe bleiben an diesem Abend nicht unwidersprochen. »Den Dreiklang, der hier angestimmt wird: Kirche – Geld – unglaubwürdig, halte ich für falsch«, erklärt Wagner beim anschließenden Podiumsgespräch. Das Bild, die Kirche in der DDR sei »arm, aber sexy, und nah an den Menschen« gewesen, die heutige Kirche dagegen reich und ohne Bezug zu ihren Gemeinden, entspreche nicht im Minde­sten der Realität. Die Kirche im Osten sei nicht reich, sie benötige immer noch Hilfe auch der EKD und es sei eine unfaire Unterstellung des Films, es sei unklar, wo all die Einnahmen der Kirche versickerten. Der Haushalt der EKM sei öffentlich für jeden einsehbar. Dasselbe gelte für die Zahlen des Bistums. Neben Wagner und Weinrich saßen auch Thüringens ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, Studentenpfarrerin Christiane Thiel aus Halle und die SPD-Politikerin und bekennende Atheistin Ingrid Matthäus-Maier auf dem Podium. Matthäus-Maier betonte immer wieder, welche Ungerechtigkeit es sei, dass die Kirchen angesichts ihres Bedeutungsverlustes in der Gesellschaft weiterhin dermaßen unterstützt würden. Lieberknecht dagegen erklärte, die Kirche des Ostens sei nicht einfach geschluckt worden. In den frühen 1990er Jahren habe die Evangelische Kirche um Fragen nach dem Religionsunterricht, den Beziehungen zum Staat und vieles mehr gerungen. Sie zeigte sich empört, dass der Film die Kirchen so einseitig darstelle. »Wir haben damals Mehrheitsentscheidungen getroffen, die mit Recht und Gesetz zustande gekommen sind.«
Tatsächlich wurden viele Behauptungen, die in der Dokumentation als Fakten dargestellt werden, im Gespräch widerlegt. Offenbar hat Regisseurin Riecker auf Recherche nicht allzu viel Mühe verwandt. Sonst hätte sie vielleicht auch den Finanzdezernenten der EKM, Stefan Große, zu dem Thema befragt. Dies ist aber nie geschehen. Ariane Riecker hat selbst leider an der Podiumsdiskussion nicht teilgenommen. Nach zwei Stunden Diskussion haben sich an diesem Abend weder auf dem Podium noch unter den Zuhörern die beiden Lager einander angenähert. Aber damit ist die Kontroverse nicht beendet, sie hat erst angefangen. Darüber, wie es sich mit der Kirche und dem Geld verhält und wie die MDR-Dokumentation mit dem Thema umgeht, kann sich am Montag, wenn die Sendung ausgestrahlt wird, jeder selbst eine Meinung bilden.

Am 18. Februar wird die Dokumentation um 23.40 Uhr in der ARD gezeigt.

Autor:

Online-Redaktion

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