Propst zur Situation in Jerusalem
"Wir versinken nicht in Traurigkeit"

- Foto: epd-bild/ Christian Jungwirth
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Die Erlöserkirche in der Altstadt von Jerusalem und die Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg haben ihre Türen täglich geöffnet. Gemeindegruppen, Pilger und Touristen kommen aber schon lange nicht mehr. Israels Krieg mit dem Iran ist vorerst vorbei, die Menschen hoffen auf eine dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln – nach Frieden fühlt es sich aber längst noch nicht an.
Von Joachim Lenz
Mehr als 630 Tage nach dem Terror des 7. Oktober 2023, einer Zeit voller Krieg und Gewalt, sind viele Menschen im Heiligen Land erschöpft. Das gilt für die Seelen, die Zukunftspläne und die Portemonnaies.
Sonntags kommt in Jerusalem unsere kleine deutschsprachige Gemeinde zum Gottesdienst zusammen – zwischen 20 und 30 Menschen waren wir in den letzten Monaten, wo es in Friedenszeiten sonst oft 200 bis 300 waren. Als vor drei Wochen die Raketen und Bomben flogen, wurden weitere Menschen aus unserem Kreis durch die Bundesluftwaffe evakuiert.
In diesem Sommer werden es kaum mal mehr als 20 sein, die zum Beten und Singen und zum Hören auf die Verheißungsworte der Bibel zusammenkommen. Bei den Benediktinermönchen der Dormitio-Abtei auf dem Zion, unseren deutschen Nachbarn, sieht es nicht besser aus.
Hintergrund
Seit 2020 ist der rheinische Pfarrer Joachim Lenz als Propst in Jerusalem tätig. Die Aufgaben des Propstes umfassen neben der pastoralen Versorgung der evangelischen Gemeinden Deutscher Sprache in Israel und Palästina auch die Leitung der Stiftungseinrichtungen der EKD in Jerusalem sowie die Repräsentanz der EKD und der Stiftungen gegenüber Kirchen und öffentlichen Einrichtungen im Heiligen Land.
Das klingt sehr gedämpft, oder? So ist die Stimmung hier. Aber: Nein, wir versinken nicht in Traurigkeit. Uns ist sehr bewusst, wie gut es uns in all der Gewalt links und rechts geht. Jerusalem ist auch diesmal nicht beschossen worden, als in Teheran und in Tel Aviv ganze Straßenzüge in Schutt und Asche sanken.
Unsere Heimatkirche und ein treuer Freundeskreis halten uns den Rücken frei, dass wir hier weiter vom Friedefürsten erzählen und in Gottes Namen auf die Zukunft hoffen können. Es mag sein, dass wir mehr hoffnungsstur als hoffnungsfroh sind – aber das ist gut so.
Sowohl Israelis als auch Palästinenser fühlen sich von so ziemlich allen anderen auf der Welt verlassen oder gar verraten. Das ist bei uns ganz anders, wir sind sehr dankbar für Unterstützung durch Gedanken, Gebete und Gaben, die unser Aushalten hier möglich machen. Davon erzählen wir den anderen hier und bleiben bei ihnen. Gott wird Menschen schenken, die Frieden stiften: inschallah, be’ezrat hashem, hoffentlich!
Autor:Online-Redaktion |
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