Thomas Müntzer
Bauernkrieg

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
Thomas - armer Thomas …
Es gehört zu den erstaunlichen Nachwirkungen der Reformation, dass sie bis heute ihren eigenen Irrläufer verklärt: Thomas Müntzer, der taumelnde Radikalprediger, ein Mann, der seine Stimme mehr erhob als sein Denken. Gegenwärtig herrscht in manchen kirchlichen Milieus ein Münzer-Rausch, als sei er der eigentliche Prophet, der Luther den Schneid abgekauft habe. Doch was dieser „Theologe“ – wenn man ihn denn überhaupt so nennen will – im frühen 16. Jahrhundert aufbot, war keine Theologie, sondern eine theokratische Intoxikation.
Müntzer wollte Politik nicht reformieren, sondern abschaffen. Er war der Feind dessen, was Aristoteles das zoon politikon nannte – das Tier, das nur im Aushandeln, im Recht und in Institution gedeiht. Stattdessen träumte er von einem „Neuen Jerusalem“, das mit Blut und Schwert in die thüringischen Felder gepflanzt werden sollte. Seine Allstedter Fürstenpredigt (1524) enthielt den Satz: „Der böse Oberste ist wie ein Wolf, der muss weggetan werden.“ Kein theologisches Argument, sondern eine Exekutionsdrohung im Gottesgewand.
Seine Schriften strotzten von Gewaltfantasien: „Die Gottlosen sollen wie tollwütige Hunde niedergehauen werden.“ Wer so spricht, hat die Sprache längst von der Vernunft abgekoppelt und die Bibel in eine Kriegsmaschine verwandelt. Das Ergebnis war der Bauernkrieg von 1525 – ein Massaker von 6000 Toten bei Frankenhausen, während der „Prophet“ sich in einer Höhle verkroch. Gefangennahme, Folter, Enthauptung. Das tragische Detail, dass seine Frau im siebenten Monat schwanger war, kümmerte niemanden.
Verdächtig ist dabei, dass gerade die DDR-Pseudophilosophen und Kulturfunktionäre Münzer zu ihrem Heldensymbol machten. Was ihnen an Luther zu „bürgerlich“ erschien, verklärten sie bei Münzer zum revolutionären Vorbild: ein Prophet des Klassenkampfes avant la lettre. Kein Zufall, dass man ihm in Bad Frankenhausen ein Denkmal setzte, das an ästhetischem Missverständnis kaum zu überbieten ist: das sogenannte Elefantenklo, jenes fragwürdige Panoramagemälde, das im rötlichen Scheine von Schlachtszenen vor sich hin glüht und darauf wartet, dass sich Schulklassen und Museumsreisende hinein verirren. Hier erklären dann alternde ehemalige Parteigenossinnen und gewesene Kulturbundmitglieder mit pädagogischer Attitüde die Details der blutrünstigen Leinwand – und man verlangt dafür natürlich Eintritt.
Münzer ist ein Verlustposten der Geschichte, ein gescheiterter Gotteskrieger, der sich als Revolutionär missverstand und von der Geschichtsschreibung der DDR zu einem Heiligen der atheistischen Erlösungsideologie umgelogen wurde. Was er wirklich demonstriert, ist die Gesetzmäßigkeit religiöser Radikalität: dass sie am Ende immer im Blutbad endet.
Dass man heute denselben Mann feiert, sagt weniger über Müntzer etwas als über seine Verehrer. Denn was blieb, ist nicht das „Neue Jerusalem“, sondern ein bekanntes altes Desaster – mit Eintrittskarte und unbeendbaren kulturpolitischen Nachreden.
Autor:Matthias Schollmeyer |
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