Aufarbeitungsexpertin
Justizkommission in Syrien "wichtiger Schritt"

- In der Stadt Hajin in Syrien sind Ruinen zurückgeblieben.
- Foto: epd-bild/ Sebastian Backhaus
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Berlin (epd). Die Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anna Kaminsky, äußert sich positiv über den Vorstoß Syriens zur Aufklärung der Gräueltaten des Assad-Regimes. „Die Einrichtung der syrischen Aufarbeitungskommission sowie der Kommission für die Suche nach Vermissten sind wichtige Schritte“, sagte Kaminsky. Viele Opfer verbänden damit große Hoffnungen auf Aufklärung und Gerechtigkeit.
Die neue Führung in Syrien hatte am vergangenen Samstag die Einrichtung einer Justizkommission angekündigt. Sie soll die schweren Menschenrechtsverletzungen des früheren Regimes aufarbeiten, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und den Opfern Wiedergutmachung leisten.
Kaminsky mahnte jedoch, die Ergebnisse der Kommissionen abzuwarten. Die Frage sei, ob die Verbrechen aller Gruppen während des Bürgerkrieges in den Blick genommen oder nur die des Assad-Regimes. Ausschlaggebend werde der Wille sein, das gesamte Ausmaß aller Verbrechen offenzulegen - auch derjenigen, die nach Ende des Bürgerkrieges begangen wurden, sagte sie.
Der Stiftungsdirektorin zufolge fordern zahlreiche Exil-Syrerinnen und -Syrer, die selbst Gewalt erlebt oder Angehörige verloren haben, eine umfassende Aufarbeitung. „Es gibt etwa 130.000 Vermisste und Massengräber im ganzen Land. Der Bedarf nach Aufklärung ist riesig“, sagte sie. Zeit sei ein entscheidender Faktor: „Es braucht unabhängige Stellen, die Dokumente, Zeitzeugenberichte und Bildmaterial sichern.“
„Die Erfahrungen weltweit zeigen: Aufarbeitung braucht vor allem Frieden und ein Mindestmaß an Sicherheit“, betonte Kaminsky. Ebenso sei ein politischer und gesellschaftlicher Konsens darüber nötig, welche Form die Aufarbeitung annehmen könne und solle.
Grundsätzlich müsse jede Gesellschaft ihren eigenen Weg zur Aufarbeitung finden. Gleichzeitig sieht Kaminsky Potenzial, dass Syrien von den Erfahrungen anderer Länder wie Deutschland profitieren könne: „Viele autoritäre Systeme nutzen ähnliche Methoden der Unterdrückung. Es gibt Verfolgungen aus politischen Gründen, jahrelange Haft ohne Verfahren und Menschen, die spurlos verschwinden.“
Auch wenn Urteile für viele Opfer nicht ausreichend seien, bleibe es essenziell, dass Unrecht benannt und juristisch verfolgt werde. Aufarbeitung bedeute mehr als juristische Aufklärung - sie umfasse auch kollektives Erinnern: „Gerade in Deutschland haben wir gelernt, wie entscheidend Bildungsarbeit ist, damit Unrecht nicht vergessen wird.“
Autor:Online-Redaktion |
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