Aufarbeitungsbeauftragter zum 17. Juni
Kein Routine-Gedenken

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Berlin (epd). Der Berliner Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Frank Ebert, hat zum 72. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR ein zeitgemäßes Erinnern gefordert. Das Gedenken an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 dürfe nicht zur Routineveranstaltung werden, erklärte Ebert. Die Erinnerung daran bleibe wichtig, gerade in Zeiten, in denen autoritäre Kräfte weltweit immer mehr Zulauf bekämen: „Trotz seines Scheiterns gehört der Volksaufstand in der DDR zur deutschen Demokratiegeschichte“, betonte der Aufarbeitungsbeauftragte.
Neben Kranzniederlegungen und Totengedenken würden zeitgemäße Formate gebraucht, um mehr Menschen zu erreichen. Dazu könne etwa das von Land und Bund geplante „Forum Opposition und Widerstand 1945-1990“ beitragen: „Das Forum wird zeigen, dass Themen, die die Menschen in der DDR vor Jahrzehnten bewegten, auch heute noch aktuell sind.“ Das betreffe etwa den Kampf um politische Teilhabe und um Freiheits- und Menschenrechte, aber auch die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt. Bislang ist allerdings unklar, wo und bis wann das Forum errichtet werden soll.
Am 17. Juni 1953 gingen mehr als eine Million Menschen in mehr als 700 Städten und Gemeinden in der DDR auf die Straße. Sie demonstrierten unter anderem gegen schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, für freie und geheime Wahlen und für die deutsche Einheit. Der Volksaufstand war kaum vier Jahre nach der Gründung der DDR die erste große Erhebung gegen ein kommunistisches Regime nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Aufstand wurde durch sowjetische Panzer und DDR-Sicherheitskräfte gewaltsam niedergeschlagen. Mindestens 55 Menschen wurden laut Bundesstiftung Aufarbeitung getötet, bis 1955 schätzungsweise 15.000 Menschen verhaftet. DDR-Gerichte verhängten etwa 1.800 Urteile. Sowjetische Standgerichte verurteilten laut dem Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur 18 Personen zum Tode, zwei Todesurteile fällten DDR-Gerichte.
Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 ging aus dem Protest von Arbeitern gegen die von der SED beschlossenen Erhöhungen der Arbeitsnormen hervor. Nach ersten Streiks und Demonstrationen an den beiden Vortagen im Ostteil Berlins beteiligten sich am 17. Juni Menschen in fast allen DDR-Bezirken an Protestaktionen.
Hintergrund des Volksaufstandes war der verschärfte Aufbau des Sozialismus, den die Einheitspartei SED seit Anfang der 1950er Jahre propagierte. In der Folge wurden Bauern zwangskollektiviert, mittelständische Unternehmen enteignet und das Regime blies zur Hetzjagd auf Kirchengemeinden. Die Erhöhung der Arbeitsnormen um zehn Prozent und die damit verbundene Mehrarbeit bei gleichem Lohn brachten schließlich das Fass zum Überlaufen.
In vielen Orten wurden insbesondere Gebäude der SED und der Volkspolizei gestürmt und verwüstet. Mehr als 1.000 Gefangene kamen bei der Erstürmung von Gefängnissen frei. Da den DDR-Behörden die Kontrolle verloren zu gehen drohte, rückten in Ostberlin und anderen Städten sowjetische Militäreinheiten gegen die aufgebrachten Menschen vor und schlugen den Aufstand nieder.
Trotz Verhängung des Ausnahmezustandes kam es noch bis Anfang Juli in mehreren Betrieben zu Streiks und Protesten. Die Bundesrepublik Deutschland beschloss nur wenige Wochen später, den 17. Juni zum „Tag der Deutschen Einheit“ zu erklären.
Autor:Online-Redaktion |
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