Besuch beim Bäcker
Ihr täglich Brot

Ökumene in der Backstube: Bäckermeister Silvio Höhne ist evangelisch, seine Frau Petra, die Innenarchitektin, katholisch. Zu kirchlichen Feiertagen hat die Bäckerei Bibelbrot im Angebot. Zu Erntedank geht mit jedem Bibelbrot diesmal auch eine "Glaube+Heimat" über die Ladentheke.   | Foto: Thomas Schäfer
  • Ökumene in der Backstube: Bäckermeister Silvio Höhne ist evangelisch, seine Frau Petra, die Innenarchitektin, katholisch. Zu kirchlichen Feiertagen hat die Bäckerei Bibelbrot im Angebot. Zu Erntedank geht mit jedem Bibelbrot diesmal auch eine "Glaube+Heimat" über die Ladentheke.
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Olbersleben: Die kleine Ladenstube lässt kaum erahnen, dass hier inmitten eines Thüringer Dorfes im Kirchenkreis Apolda-Buttstädt ein expandierendes Unternehmen beheimatet ist.

Von Uta Schäfer

Feuer, Wasser, Luft und Erde – in meinem Beruf habe ich ganz direkt mit allen vier Elementen zu tun, und jeder Tag ist anders.“ Begeistert spricht Bäckermeister Silvio Höhne von dieser Herausforderung. Sein natürlicher Sauerteig verhält sich eben bei Gewitter anders als bei trockenem Wetter, und der Umgang mit Creme und Sahne ist ebenso temperaturabhängig. Hier sind Wissen, handwerkliches Können und jede Menge Engagement gefragt. Auch das Kaufverhalten der Kunden unterliege vielen Einflussfaktoren, die oft nicht vorhersehbar sind und Retouren ergeben. Für ihn ein ganz großes ethisches Problem. Wegen der Hygienevorschriften bleibe oft nur die Mülltonne. „Das tut weh. In den Dörfern wird noch bestellt, aber der städtische Kunde entscheidet spontan.“
Die Bäckerei Höhne hat in Olbersleben als Familienbetrieb eine über 100-jährige Tradition. „Helden der Nacht seit 1908“ ist auf der Berufskleidung zu lesen. 2014 übergab Hannelore Höhne ihrem Sohn und damit der vierten Generation den Betrieb. Ihre Erfahrung und Mithilfe seien aber nach wie vor sehr willkommen, sagt Silvio Höhne und fügt hinzu: „Wir sind aus demselben Holz, eine Familie eben.“ 2018 erhielten Höhnes in der Kategorie „Gelungene Unternehmensnachfolge“ den Thüringer Gründerpreis. Dass man nur mit der Bäckerei vor Ort nicht überleben kann, war Höhnes seit langem klar. Da konnten die Produkte noch so gut sein und einen festen Kundenstamm erfreuen. Neue Wege mussten gesucht, beschritten und möglichst zum Erfolg geführt werden.

„Das Bäckerleben hat Gott gegeben. Das Backen bei Nacht hat der Teufel erdacht“

heißt es in einem alten Bäckerspruch. Damit die Kunden am nächsten Morgen frische Köstlichkeiten erwerben können, geht in Olbersleben bereits am Abend zuvor um 21.30 Uhr das Licht in der Backstube an. Im Zweistundentakt kommen weitere Mitarbeiter in unterschiedlichen Schichten hinzu. Der 43-jährige Chef kann sich auf seine Leute verlassen. Kurz nach Mitternacht ist auch für ihn der Nachtschlaf zu Ende. „Es ist ein täglicher Kampf gegen die Uhr mit einem festen Ablauf, der auch zu einer zeitweiligen Enge führt. Das übt zu viel Stress aus. Ich will mit einem Anbau zukunftsorientierte Arbeitsbedingungen schaffen, damit meine Leute in ihrem Handwerksberuf auch alt werden können“, so Silvio Höhnes Pläne.
Mehl und andere Zutaten kauft er möglichst regional ein. Die Vielfalt des Sortiments ist eine handwerkliche und logistische Meisterleistung. Seine teilweise prämierten Produkte sind in Olbersleben, Buttstädt und Kölleda sowie vier Filialen im Weimarer Stadtgebiet erhältlich. Drei Bäckerautos fahren auf ihren Touren 34 Dörfer an. Derzeit sind insgesamt 85 Mitarbeiter für die Bäckerei Höhne tätig. Verantwortung, die Spaß macht, sei keine Last, so der Chef. „Ich finde es toll, etwas herzustellen, das die Menschen täglich brauchen, und das ihnen auch Genuss bedeutet. Wir lassen uns immer mal was Neues einfallen, wie beispielsweise das Bibelbrot, das es nur vor kirchlichen Feiertagen gibt. „Es soll den Kunden signalisieren, dass jetzt Tage mit besonderer Bedeutung kommen. Ein beigefügtes Heftchen klärt darüber auf. Wird ein neues Produkt nachgefragt, ist das ein starkes Lob, über das sich alle freuen. Und doch: Die größere Energie schöpfst du aus einer Beschwerde. Die trifft dich, und die Analyse bringt weiter.“ Die Corona-Zeiten seien eine ganz neue Erfahrung gewesen. „Diese Form der Hilflosigkeit kannte ich bisher nicht. Aber insgesamt haben wir die Sache gut verkraftet und wissen nun, damit umzugehen.“
Gibt es auch einen Privatmann Silvio Höhne? Er lacht verschmitzt. „Ganz wichtig ist der Mittagsschlaf. Und: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.“ Alles, was Gestaltung, Baupläne und Werbung betrifft, ist bei Petra Höhne in besten Händen. „Sie bringt ihre Kreativität hier voll ein“, freut er sich. Die gelernte Tischlerin studierte in Halle Innenarchitektur. Bei einem Ladenumbau lernte man sich kennen, schätzen und lieben. Nun gehören fünf Kinder im Alter zwischen neun und einem Jahr zur Familie. Auch sie müssen zu ihrem Recht kommen. Das tägliche Kaffeetrinken um 16 Uhr sei ein fester Ruhepunkt und der Beginn gemeinsamer Familienstunden.
Silvio Höhne ist evangelisch, seine Frau Petra katholisch. Zum Gottesdienst gehen sie in die evangelische Dorfkirche gleich gegenüber oder in die private Kapelle eines katholischen Nachbarn. Dass sie wie viele Bäcker alljährlich das Brot zum Erntedankfest sponsern, ist ihnen Ehre und Anliegen.

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Online-Redaktion

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