100 Jahre Kirchenleitung
Glanz – Mittelmaß – Versagen

Einst Bischofskirche: St. Georgen in Eisenach  | Foto: Paul-Philipp Braun
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  • Einst Bischofskirche: St. Georgen in Eisenach
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Rückblick von Propst i. R. Hans Mikosch

Kirchentümer sind keine Gottesbeweise. Sie haben einen Anfang und ein Ende. Mit dem Ende der Landesherrlichkeit 1918 war auch das Ende der sieben Thüringer Landeskirchen gekommen. Dank der Wachheit der Theologischen Fakultät Jena nutzte man die Zeichen der Zeit und schuf durch die Urwahl „von unten" eine „freie Volkskirche“.
Eine “Heimat evangelischer Freiheit und Duldsamkeit“ mit einem ausgesprochenen Minderheitenrecht. Keine Obrigkeitskirche mit Bischöfen, Präsidenten, Räten, Synoden, dafür Oberpfarrer, Landesoberpfarrer und Landeskirchentag. Keine Pfarrerkirche, keine Notabeln-Kirche.
Die Erinnerung an eine einfache Kirche und die Sehnsucht danach sind in Thüringen bis zum Tage wach. Es war eine Glanzleistung, sich in der Kraft des Heiligen Geistes neu zu erfinden und ähnlich wie zu DDR-Zeiten Thüringen zu repräsentieren. Der Exekutive der neuen Kirche, dem Landeskirchenrat (LKR), oblag es, in seiner personellen Zusammensetzung die verschiedenen Gruppen (Theologien/Frömmigkeiten) und Regionen (die ehemaligen Landeskirchen) zu integrieren und die Kirche im Inneren aufzubauen.

Kirche als Teil der Gesellschaft
Für die erste deutsche Demokratie von Weimar hatten die protestantischen Theologen (jetzt) keine Zeit (F. Gogarten). Das alsbald bei den politischen Wahlen erkennbare Ausschlagen des Pendels von links nach rechts bildete sich zunehmend in der Zusammensetzung der kirchlichen Gremien, auch des LKR, ab.
Was ihm beim innerkirchlichen Aufbau überaus positiv gelang, blieb auf dem Gebiet der politischen Bildung auf der Strecke, weil man es aus Blindheit oder noch mehr aus innerer Überzeugung nicht sehen wollte: ein verbreiteter christlich begründeter Antijudaismus, ein erstarkender Nationalismus, die von weiten Kreisen des Kirchenvolks bejaht wurden! Man sah sich in einer „Stunde des Übergangs“ und der apokalyptischen Agonie zwischen Christentum und bürgerlich-demokratischer Kultur.
Nicht wenige sahen von daher den „Führer“ als gottgesandt. 1932 übernahm die NSDAP in Thüringen die Regierung, bei der Wahl zum 3. Landeskirchentag im Januar 1933 wurden die Deutschen Christen (DC) zur stärksten kirchenpolitischen Fraktion, mit entsprechenden Folgen für die Zusammensetzung des Landeskirchenrates.
Schon im September des gleichen Jahres wurde ein Ermächtigungsgesetz beschlossen, das die Legislative auf den LKR übertrug, 1941 das gesamtdeutsche Institut zur „Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ begründet. Die Thüringer Kirche war „gleichgeschaltet“. 54 Theologen wurden wegen ihrer nicht deutschchristlichen Gesinnung reglementiert, 20 weitere wanderten freiwillig aus.
Dank des Sieges der Alliierten und persönlicher Courage konnte der bekenntnis- wie volkskirchlich-bestimmte Eisenacher Pfarrer Moritz Mitzenheim im Frühjahr 1945 auf spektakuläre Weise das DC-Kirchenregiment ablösen und einen neuen LKR initiieren. Die vor allem von der sowjetischen Besatzungsmacht eingeforderte Entnazifizierung verlief in Thüringen angesichts des bestehenden Pfarrermangels im Vergleich mit anderen Landeskirchen gründlich, schloss allerdings aus heutiger Sicht auch fragwürdige Kompromisse ein.

Der „Thüringer Weg“
Gleiches gilt für den sogenannten Thüringer Weg: Im Kontext eines autoritären Regimes galt es, der Kirche Arbeitsmöglichkeiten zu erhalten. Nicht wenige sehen im Agieren des alternden Landesbischofs Grenzüberschreitungen hin zu einer unnötigen Anpassung an staatliche Interessen. Der LKR widersprach nicht.
Starke Synoden und die folgenden Landesbischöfe als Vorsitzende des Landeskirchenrates haben es in ihren unterschiedlichen Begabungen und mit ihrer starken Präsenz in der Fläche manchmal vermocht, zumindest zeichenhaft das Gefühl einer Kirche von Schwestern und Brüdern aufkommen zu lassen. Das hat sich trotz Infiltrierung des Landeskirchenrates durch die Stasi durchhalten lassen. – Die Fusion mit der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen hat Vorteile gebracht, ist für eine Beurteilung zu “jung“. Wie für all unser Tun gilt auch für sie Matthäus 7, Vers 16: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“

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