Corona
Gehörlose leiden unter (un-)sichtbaren Barrieren

Foto: vismask.de

Hersteller wie Visimask oder Highlight Media haben inzwischen auf den Bedarf nach Masken mit Sichtfenster reagiert. Doch die Auswahl der Angebote ist noch übersichtlich. Eine Recherche im Internet kann helfen, einen passenden Schutz zu finden und so Menschen die Kommunikation zu erleichtern. Das gilt übrigens nicht nur für Hörgeschädigte, auch wer keine Einschränkung hat, kann dank des Sichtfensters sein Gegenüber besser verstehen. Trotz Maske Lippen lesen Die Maske ist nicht das große Problem und die Maske mit Fenster keine Lösung für Schwerhörige oder Gehörlose. Da sind sich die mit der Seelsorge für diese Menschen betrauten Pfarrer Erhard Hilmer in der Landeskirche Anhalts und Andreas Konrath sowie Markus Tschirschnitz für die EKM einig. Ebenso in dem Befund, dass die Vereinsamung das größte Problem ist.
"Ich sehe nicht, dass die Welt durch den Mund-Nase-Schutz besser wird; wir sterben alle", weitet Markus Tschirschnitz den Blick. "Mir kommt die Sinnfrage viel zu kurz; das wäre jetzt eine Chance für die Kirche." Grundsätzlich plädiert er für einfaches Reden und erzählt aus eigener Erfahrung: "Wenn ich einem Kindergartenkind den Glauben nahebringen kann, so kann ich auch zu Schwerhörigen reden, so dass sie mich verstehen. Mit Geduld und auf Nachfragen reagieren."
Haben Schwerhörige nach Tschirschnitz Erfahrung vor allem wegen der Atembehinderung Probleme mit der Maske, wie viele andere auch, so verstärkt diese bei Gehörlosen die Verunsicherungen, sagt Andreas Konrath. "Sie sehen nicht, wenn sie angesprochen werden." Die Pfarrer würdigen, dass sowohl Thüringen als auch Sachsen-Anhalt Schwerhörigen und Gehörlosen sowie ihren Kommunikationspartnern die Maskenpflicht erlassen. Das hilft, denn dadurch ist die Mimik lesbar, die neben den Lippenbewegungen enorm wichtig ist. "Viele setzen aber trotzdem eine Maske auf, wegen des Schutzes und weil sie sonst dumm angesprochen werden", weiß Erhard Hilmer.
Die gegenwärtige Situation verschärfe die Lage und erhöhe die ohnehin bestehenden Barrieren, sind sich die Seelsorger einig. Dass Treffen nicht erlaubt waren, so dass ein Miteinander der Menschen, die eine Sprache – die Gebärdensprache – sprechen, ausfiel, habe mehr beeinträchtigt als die Maske es tut, so Andreas Konrath. Und Erhard Hilmer bestätigt: "Bei unseren Treffen gab es Kaffee und Kuchen; das ist auch eine Form der Kommunikation. Das lassen wir jetzt natürlich weg, seitdem wir wieder zusammenkommen können. Die Menschen kommen trotzdem, weil sie das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit haben, nach Austausch. Sie reden jetzt viel mehr als vor Corona."
Generell beobachtet Erhard Hilmer, dass Ältere mit ihrer Beeinträchtigung sehr zurückhaltend sind und sich zu selten trauen, nachzufragen oder sich den Umgang mit Induktionsschleifen erklären zu lassen. Jüngere dagegen seien offensiver. Sie informieren sich, kommunizieren im Internet und fordern Teilhabe ein.
Für Andreas Konrath hat es zu lange gedauert, bis Gebärdendolmetscher kirchliche Angebote übersetzen. Er feut sich, dass endlich beispielsweise die Gottesdienste aus dem Magdeburger Dom, die im Offenen Kanal Magdeburg übertragen werden, gedolmetscht werden. "Schlimmer als eine temporäre Seuchenschutz-Fastenzeit ist die permanente Barriere der Kirchenkreise und Gemeinden gegenüber ihren gehörlosen Mitgliedern. Seit Jahren sind die kirchlichen Beauftragten für gebärdensprachliche Verkündigung, Bildung und Seelsorge immer weniger geworden, ohne dass ein Aufschrei zu hören war", bedauert er. Nun soll ein Fachtag Verantwortliche aus den kirchlichen Reihen ins Gespräch bringen mit Beteiligten und Betroffenen: Gehörlosen, Dolmetschern, Seelsorgern, Engagierten, unter dem Titel "Gottes vergessene Kinder!? – Kirche und ihre gehörlosen Mitglieder" am 29. September in Halle.
Wenn die Maske nicht ein Hauptgrund für Beeinträchtigungen ist, so bieten durchsichtige Varianten eindeutig Vorteile. Erhard Hilmer trägt seit einem Monat ein Visier aus Plastik aus dem Online-Handel. "Ich finde meine von highlight-media.com durchaus sinnvoll. Auch wenn sie ein wenig umständlich ist, da man sie nicht so einfach in die Tasche stecken kann."

Renate Wähnelt

Autor:

Online-Redaktion

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