Erprobungsräume
Ein Erfolgsmodell made in Mitteldeutschland

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„Wir sind am Ende mit unseren bisherigen Strukturen und Modellen." Gesagt hatte diese Worte die ehemalige EKM-Landesbischöfin Ilse Junkermann.
Von Beatrix Heinrichs
"Dieser Satz war eine große Befreiung für viele. Sie waren dankbar, weil sie endlich sagen durften: Wir können nicht mehr", erinnert sich die Altbischöfin heute. Ihre Feststellung sollte gleichsam die Initialzündung für eine Idee sein, die inzwischen von 13 Landeskirchen adaptiert wurde. Mit den Erprobungsräumen ist die EKM damit deutschlandweit Vorreiter.
Bereits in ihren Bischofsberichten zu den Synodentagungen im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 machte Junkermann deutlich, dass es umzudenken gelte. Nicht allein an der Größe sollten die Gemeinden in der EKM ihr Selbstverständnis bemessen, regte sie an, sondern sich an dem Auftrag orientieren, der allen Getauften anvertraut ist. Für die junge EKM, Anfang der 2010er-Jahre noch mit Struktur- und Neuordnungsfragen beschäftigt, sei es wichtig gewesen, "eine Phase einzuleiten, die die Veränderung geistlich begleitet", so Junkermann. Neustrukturierung ist auch heute ein Thema, auf das Gemeinden, wie jüngst im Zuge der Kirchenkreisreform, reagieren müssen. Was also hat sich in den vergangenen Jahren geändert? "Es ist gelungen, von diesem defizitorientierten Denken den Blick auf die Schätze zu wenden, die wir haben", konstatiert Junkermann.
"Es ist gelungen, von diesem defizitorientierten Denken den Blick auf die Schätze zu wenden."
Darin sieht auch Projektleiterin Jana Petri die große Chance. "Die Erprobungsräume sind keine vorgefertigten Konzepte, die von außen herangetragen werden. Sie entstehen bei den Menschen vor Ort und orientieren sich an ihren Bedürfnissen", erklärt die Referentin für Gemeindeentwicklung. Seit dem Start des Förderprogramms im Jahr 2015 wurden 124 Anträge gestellt. 73 Erprobungsräume sind gestartet; 18 sind ausgelaufen oder wurden vorzeitig beendet. Aktuell gibt es in der EKM 54 Erprobungsräume, ein Drittel läuft ohne finanzielle Förderung durch die EKM.
Um als Erprobungsraum anerkannt zu werden, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Dazu zählen unter anderem die Einbindung von Ehrenamtlichen an verantwortlichen Stellen, die Erschließung alternativer Finanzquellen oder die Möglichkeit, mit dem Projekt auch kirchenferne Menschen zu erreichen. Das Team um Jana Petri, das beim Dezernat Bildung und Gemeinde angesiedelt ist, bietet juristische und fachliche Begleitung sowie finanzielle Unterstützung. Grundsätzlich werden seit 2021 nicht nur Projekte gefördert, sondern auch Kirchengemeinden und Kirchenkreise, die sich neu ausrichten wollen. Zudem wurde die maximale Laufzeit von fünf auf acht Jahre verlängert.
Die Haltung des Erprobens habe auch innerhalb der kirchlichen Strukturen schon Früchte getragen, sagt Petri und nennt das Erprobungsgesetz, das die Landessynode auf ihrer Herbsttagung 2023 beschlossen hat. Es besagt, dass Kirchengesetze zum Zwecke der Erprobung für eine bestimmte Zeit außer Kraft gesetzt werden können. "Im Kirchenkreis Gera hat man sich so zum Beispiel entschlossen, statt an vielen kleinen Orten alles abdecken zu wollen, sogenannte Ausstrahlungsorte mit einem umfassenden kirchlichen Angebot zu etablieren." Ähnliches sei im Kirchenkreis Halle-Saalkreis angedacht.
Was die Erprobungsräume zu einem Erfolgsmodell mache, sei ihr Prozesscharakter, meint Junkermann. "Ob etwas funktioniert, hängt von den Menschen ab, die de Idee mit Leben füllen und am Leben erhalten." Wenn etwas zu Ende gehe, sei das auch in Ordnung – dann entstehe woanders etwas Neues. "So kann Kirche in Zukunft aussehen."
Autor:Beatrix Heinrichs |
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