Trauer um Papst Franziskus
Unvollendeter Hoffnungsträger

Papst Franziskus hat noch am Ostersonntag den Segen "Urbi et Orbi" von der Loggia des Petersdoms aus gespendet.  Am Ostermontag ist er verstorben.  | Foto: end-bild/VATICAN MEDIA
  • Papst Franziskus hat noch am Ostersonntag den Segen "Urbi et Orbi" von der Loggia des Petersdoms aus gespendet. Am Ostermontag ist er verstorben.
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Von Benjamin Lassiwe 

Zwölf Jahre nach seinem Amtsantritt ist Papst Franziskus in Rom verstorben.

Auf dem Schornstein der sixtinischen Kapelle saß eine weiße Möwe. Ihre Bilder gingen 2013 um die Welt: Damals warteten die Menschen weltweit auf den weißen Rauch. Auf das Zeichen dafür, dass die Kardinäle im Konklave einen Nachfolger für den zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. gewählt haben. Vor fast genau 12 Jahren, am 13. März 2013, war es dann soweit: Der argentinische Jesuit Jorge Mario Bergoglio wurde als Papst Franziskus der erste Südamerikaner auf dem Stuhle Petri. Gestern ist er im Alter von 88 Jahren im römischen Gemelli-Krankenhaus an den Folgen einer beidseitigen Lungenentzündung und einer schweren Atemwegsinfektion verstorben.

Und die katholische Kirche verliert damit einen Papst, dessen Pontifikat durchaus ambivalent verlief. Denn auf dem Nachfolger des konservativen, theologisch hochgebildeten Benedikt XVI. ruhten vor zwölf Jahren viele Hoffnungen: Die Kirche sehnte sich nach einem Reformer, nach einem Papst, der mit überkommenen Traditionen aufräumt und den Katholizismus in das 21. Jahrhundert führt. Und zunächst sah auch vieles danach aus, als würde Franziskus diese Hoffnungen erfüllen: Der Papst aus Argentinien verzichtete auf seine Wohnung im Apostolischen Palast und blieb im vatikanischen Gästehaus, wo ihn Besucher und Angestellte bei Mahlzeiten treffen konnten. Heimlich verließ er den Vatikan und besuchte Wohnungslose. Demut und Bescheidenheit gehörten zu seinen prägenden Charakterzügen.

Immer wieder stellte er den Kampf gegen Armut in den Mittelpunkt seiner Predigten und Schriften. Franziskus protestierte gegen die Massenabschiebungen eines Donald Trump und kritisierte in seinem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ eine ungezügelte Marktwirtschaft: „Diese Wirtschaft tötet“, waren prägnante Worte, die in dieser Schärfe von längst nicht jedem Papst zu hören waren. In seiner Enzyklika „Laudato Si!“ trat Franziskus für die Bewahrung der Schöpfung ein, kritisierte den Verlust der Biodiversität und forderte einen Ausstieg aus fossilen Energien. Dieses Thema zog sich durch sein gesamtes Pontifikat: Noch Ende 2023 wollte er als erster Papst zur Weltklimakonferenz in Dubai reisen, musste die Reise dann aber wegen einer Erkrankung absagen.

Innerkirchlich gab es im Pontifikat von Franziskus einige bemerkenswerte Reformen: So ging die Kirche unter dem Papst aus Argentinien – freilich in Trippelschritten – auf homosexuelle Menschen zu. Während Franziskus bis an sein Lebensende eine Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnte, erlaubte er 2023 immerhin deren Segnung außerhalb von Gottesdiensten. Die von vielen Frauen in Deutschland erhoffte Zulassung zum Priesteramt gab es freilich auch unter Franziskus nicht. Doch eine Reihe von Frauen kam unter ihm in hohe Führungspositionen – zuletzt ernannte er etwa die Italienerin Raffaela Petrini zur Regierungschefin des Vatikanstaats.

Vor allem aber wird man den Namen Franziskus künftig wohl mit dem Bemühen um Synodalität verbinden. Vier Jahre lang tagte im Vatikan die Weltsynode – an der neben Bischöfen erstmals auch Frauen und Laien teilnahmen. Franziskus wollte die Leitung der Kirche verbreitern, nicht nur Bischöfe, sondern das ganze Gottesvolk sollte daran teilhaben. Zum Synodalen Weg in Deutschland äußerte er sich dagegen skeptisch. Immer wieder schien es durch, dass sich der Papst aus Argentinien mit dem politisierten, liberalen und unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals auf Mitwirkung und Mitbestimmung drängenden deutschen Katholizismus schwertat. „Es gibt bereits eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei von ihnen“, soll er dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, bei einer Audienz gesagt haben.

Für Franziskus waren das bemerkenswert klare Worte. Bei anderen Themen, etwa bei der Frage der Zulassung konfessionsverschiedener Ehepaare zu Abendmahl und Eucharistie, mussten die Kirchenmitglieder dagegen oft lange rätseln, wie es der Papst nun eigentlich gemeint hatte. Häufig bezog sich Franziskus in seinen Äußerungen auf seelsorgerlich begründete Einzelfälle: Während er sich in gesellschaftspolitischen Fragen oft deutlich positionierte, scheute er vergleichbare Klarheit, wenn es um die Lehre und die Traditionen der Kirche ging. Und auch im Ukraine-Konflikt hielt sich der Papst, getragen von der Hoffnung, vielleicht als Vermittler zwischen den Parteien in Frage zu kommen, lange zurück. Zwar betete er immer wieder für den Frieden in der Ukraine, zwar vermittelte der Vatikan bei der Frage ukrainischer Kriegsgefangener. Doch eine klare Verurteilung des Aggressors Russland vermied der argentinische Papst. Und immer wieder fiel er mit Äußerungen auf, die ihm den Vorwurf übertriebener Russlandfreundlichkeit einbrachten.

Am Ende wird man das Pontifikat von Franziskus deswegen als ambivalent betrachten müssen: als das unvollendete Werk eines Hoffnungsträgers und Reformers, der die katholische Kirche manchen Schritt voranbrachte. Der aber am Ende mit seinen Vorhaben längst nicht so weit kam, wie er es sich selbst wohl am meisten gewünscht hätte. Und der dennoch große Spuren hinterlässt, die sein Nachfolger im Vatikan in den nächsten Jahren ausfüllen muss.

Autor:

Willi Wild

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