Mit Luther einen Zahn zulegen

Luthers Reisewagen: Im Reformationsjahr 2017 wurde auf der Wartburg der detailgetreue Nachbau der Kutsche vorgestellt. | Foto: epd-bild/Maik Schuck
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500 Jahre nach der Ankunft Luthers auf der Wartburg spürt eine neue Sonderausstellung den zehn Monaten des Reformators auf der Veste nach. Es geht um Hochtheologisches, aber auch um allzu Menschliches.

Von Dirk Löhr

Auf der Wartburg ist am 4. Mai eine neue Sonderausstellung eröffnet worden. Der Titel „Luther im Exil. Wartburgalltag 1521“ weist dabei auf die beiden Kernthemen der Exposition hin, erklärte die wissenschaftliche Leiterin der Wartburg-Stiftung, Grit Jacobs. Während die Innenräume in der Vogtei inklusive dem berühmten Studierzimmer Luther alias „Junker Jörg“ gewidmet sind, sollen verschiedene Stationen auf dem Burghof die damaligen Lebensumstände auf der Veste illustrieren.

Anlass für die Sonderausstellung ist die Ankunft des Reformators auf der Burg vor 500 Jahren. Martin Luther (1483–1546) war am 4. Mai 1521 auf dem Heimweg nach Wittenberg zum Schein dorthin entführt worden. Er sollte so dem Zugriff Kaiser Karls V. nach dem Wormser Reichstag entzogen werden. Kurfürst Friedrich der Weise hatte die Scheinentführung angeordnet. Während seiner zehnmonatigen Schutzhaft auf der Burg übersetzte Luther zwischen Dezember 1521 und Februar 1522 das Neue Testament in nur elf Wochen aus dem Griechischen ins Deutsche.

Der Augustinermönch hatte gesundheitlich angeschlagen Worms verlassen. Auf der Wartburg plagten ihn vor allem schwere Verdauungsstörungen, die erst im Oktober nachließen, sagte Jacobs. Die Nachwelt erfahre viel davon aus den 38 Briefen aus Luthers Feder, die zumindest als Abschrift erhalten geblieben sind. Zu diesen Beschwerden kamen zu Beginn der vom Kurfürsten verordneten Schutzhaft noch große Zweifel an sich selbst.

„Luther fühlte sich unnütz, gar als Deserteur“, beschrieb die Wissenschaftlerin den Gemütszustand des Wittenberger Professors. Der entwickelte nach Wochen des Zauderns eine rege schriftstellerische Tätigkeit. 16 Werke, die, wie viele der Briefe, auf der Wartburg zu sehen sind, gehen letztlich auf sein Konto, darunter die berühmte „Bibelübersetzung“ von Anfang 1522.

Sie werde 2022 im Fokus der Aktivitäten der Wartburg-Stiftung stehen, kündigte Burghauptmann Günter Schuchardt an. Die aktuelle Exposition lade aber erst einmal „zu einer Reise in Luthers Lebenswirklichkeit“ ein. Dazu tragen Stationen im Außengelände der Burg bei. Etwa der Nachbau von Luthers Reisewagen, die rekonstruierte Küche, Hochbeete oder mit Alltagsgegenständen ausgestattete und gelb angestrichene Ausstellungsbauten.

So lässt sich in der nachgebauten Küche das offene Feuer erahnen, über dem an einer Art Zahnstange der Kessel hängt. Je nach benötigter Hitze konnte der eine Stufe – einen Zahn – höher oder niedriger befestigt werden. Sollte es schnell gehen, musste man eben "einen Zahn zulegen", erläuterte Schuchardt die Herkunft einer geläufigen Redensart.

Zudem versucht die Ausstellung, mit sicher geglaubtem Wissen vorsichtig aufzuräumen. So nannte sich Luther selbst nie „Junker Jörg“, und auch den Tintenfleck, den sein Wurf nach dem Teufel angeblich hinterließ, hat die Forschung längst als Erfindung nachfolgender Generationen enttarnt.
Leider ist die Burg aktuell wegen der Corona-Pandemie für Gäste geschlossen. Der Burghauptmann hofft, dass, wie bei der Bundesgartenschau in Erfurt, die Außenflächen bei Vorlage eines aktuellen Tests bald wieder begehbar sind.

(epd)

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