Chorknaben halten neuen Thomaskantor für ungeeignet
Kontroverse um die Neubesetzung

Thomaner bereiten sich auf ihren Auftritt vor | Foto: epd-bild/Peter Endig
  • Thomaner bereiten sich auf ihren Auftritt vor
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In einem offenen Brief hat die Obernschaft (die Schüler der 11. und 12. Klassen) des Thomanerchores der Stadt Leipzig vorgeworfen, im Verfahren für die Neubesetzung des Thomaskantorats nicht gehört oder sogar manipuliert worden zu sein. Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) weist in der Leipziger Volkszeitung die Vorwürfe zurück.

Die Schüler stellen sich in dem Schreiben gegen Andreas Reize als neuen Kantor. Schon bei der Entscheidung der Auswahlkommission am 24. November seien die Thomaner „fassungslos“ gewesen. Sie attestieren dem Schweizer die „mangelnde Fähigkeit, selbst sauber zu intonieren“ und bezweifeln seine „pädagogische Autorität“.
Stattdessen fordern sie, dass Universitätsmusikdirektor David Timm neuer Thomaskantor werden soll. Zudem wird der Geschäftsführer des Chores, Emanuel Scobel, aufgefordert, sein Amt aufzugeben.
Inzwischen hat die zugehörige Kirchengemeinde St. Thomas ihre Solidarität mit dem Schweizer erklärt. An Reizes Wahl durch den Stadtrat auf Vorschlag einer Auswahlkommission gebe es keinen Zweifel, erklärten die evangelischen Pfarrerinnen Britta Taddiken und Jutta Michael sowie Pfarrer Martin Hundertmark am 22. März.
In den Streit hat sich auch der ehemalige Thomaspfarrer Christian Wolff eingeschaltet und dem einstimmig gewählten Schweizer Reize den Rücken gestärkt. In seinem Blog (wolff-christian.de) weist er darauf hin, dass es im Dezember auf Initiative Reizes eine Aussprache mit den Obernschaftlern gegeben habe. Danach hätten die Sänger nach eigenem Bekunden geäußert, „dass wir die Wahl so annehmen, wie sie ist“.
Wolff bringt in dem Blogbeitrag sein Unverständnis über den plötzlichen Sinneswandel zum Ausdruck. „Sind sich die Obernschaftler bewusst, dass sie damit zwei hervorragende Musiker in aller Öffentlichkeit beschädigen?“, fragt der Theologe.
Seiner Meinung nach bedarf es eines Neuanfangs. Die interne und externe Kommunikation sollte transparent und fair gestaltet werden, fordert Wolff. „Denn die große Tradition der ›Thomana‹ ist für das gesellschaftliche und kulturelle Leben viel zu wichtig, als dass man sie durch nicht zu Ende gedachte Aktionen gefährden darf.“

Der weltbekannte Leipziger Knabenchor blickt auf eine über 800-jährige Chortradition zurück. Er wurde 1212 zusammen mit der Thomasschule gegründet und zählt zu den ältesten Knabenchören Europas. Das Thomaskantorat wurde durch viele bekannte Musiker und Komponisten ausgefüllt. Berühmtester Thomaskantor war Johann Sebastian Bach.
Der Chor besteht aus knapp 100 Jungen im Alter von 9 bis 18 Jahren. Seit 2016 wird der Chor vom Sänger und Dirigenten Gotthold Schwarz geleitet. Seine Amtszeit endet am 30. Juni.

(red) 

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Online-Redaktion

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