Effekthascherei – Kollekte für Notre-Dame

Von Willi Wild

Mehrere Kirchengemeinden haben angekündigt, die Kollekten der Karfreitags- und Ostergottesdienste als Zeichen der Solidarität und der Verbundenheit für den Wiederaufbau der Kathedrale Notre-Dame de Paris zur Verfügung zu stellen. Kann man machen. Die Frage ist nur, ob es sich bei dieser Entscheidung um »große Betroffenheit« oder eher um Effekthascherei handelt, wohl wissend, dass diese Geste mediale Aufmerksamkeit erregt.
Wie bislang bekannt, gibt es bereits jetzt weltweite Spendenzusagen in Milliardenhöhe. 600 Millionen Euro haben allein vier große französische Unternehmen für den Wiederaufbau von Notre-Dame angekündigt. Das Riesenprojekt Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden hat 180 Millionen Euro gekostet. Ich kann nun bei der bedauerlichen Teilzerstörung von Notre-Dame durch den Brand keine Notlage erkennen, zumal Präsident Emmanuel Macron den Wiederaufbau zur nationalen Aufgabe erklärt hat. Er gibt sich entschlossen: Die Restaurierung soll in fünf Jahren abgeschlossen sein.
Erstaunlich ist die große Spendenbereitschaft für ein Kirchengebäude allemal. Und glücklicherweise ist bei dem Brand kein Mensch zu Schaden gekommen. Aber wo bleibt zu Karfreitag der weltweite Aufschrei gegenüber Leid, Folter, Verfolgung und Massenmord? Wo die Kollektensammlungen in unseren Kirchen für die Opfer und Kirchen in Sri Lanka? Millionen Christen leiden an Verfolgung, weil sie sich zu Jesus Christus bekennen. Solidarität und Verbundenheit haben hier eine menschliche Adresse. Sind wir satten Mitteleuropäer bereits so abgestumpft, dass uns wirkliches Leid und Elend nicht mehr erreichen? Stehen wir den in Todesangst lebenden Glaubensgeschwistern mit Gebet und Tat zur Seite.
Man kann sich mit den Franzosen über die große Welle der Hilfs- und Spendenbereitschaft freuen. Die Unterstützung der deutschen Dombauhütten bei der Restaurierung der Pariser Kathedrale ist löblich und ein Zeichen europäischer Verbundenheit. Die Kollektensammlung dafür im Gottesdienst ist ein unziemlicher, populistischer Reflex.

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Online-Redaktion

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