ADVENTSZEIT - LESEZEIT
KÖNIGLICHE HOHEIT
- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
"Königliche Hoheit" ist nach den „Buddenbrooks" der zweite große Roman Thomas Manns. Am Beginn des hier ausdrücklich empfohlenen Buches (Adventszeit ist Lesezeit!) brilliert jene Szene, in der ein alter General vor dem blutjungen Kadetten Klaus Heinrich salutiert. Thomas Mann legt in diesem Eingangskapitel – mit der feinen Ironie all seiner Kunst – die tiefe Grammatik von Rang und Ankunft offen: Hier kniet nicht einfach das Alter vor der Jugend, sondern die Weltordnung neigt sich vor einer Würde, die nicht von ihr selber stammt. In dem Gruß des Alten Soldaten liegt ein Wissen, das sich nicht laut ausspricht – ein Wissen um Herkunft, um Bestimmung, um jene stille Hoheit, die im Irdischen nur im Vorübergehen aufscheint.
Diese paradoxe Verbeugung (lesen!) bildet das unsichtbare Rückgrat jener Szene, die das Evangelium uns am kommenden Adventssonntag erzählt: Der Einzug Jesu in die heilige Stadt Jerusalem. Auch dort steht ein Jüngerer vor den Älteren, ein unbekannter Wanderlehrer vor der gebildeten Stadtkultur, ein Handwerkersohn vor dem priesterlichen Establishment. Und es beugen sich die Palmen und Menschen gleichermaßen unter der Würde dessen, der da kommt, die nicht erworben, sondern geschenkt ist.
Die Menge weiß es kaum, aber sie handelt wie jener General bei Thomas Mann: Sie erkennt instinktiv, was sie begrifflich nicht zu fassen vermag. Die Palmzweige, hastig von den Bäumen gerissen, sind ähnlich improvisierte Zeichen wie der militärische Gruß vor dem jugendlichen Erbgroßherzog: Gesten, die mehr wissen als jene, die sie vollziehen. Das Volk Jerusalems tritt – ohne die Konsequenzen zu ahnen – in jene Haltung ein, die man „Demut des Empfangens“ nennt. Das Sich-Hinhalten des Herzens für ein Kommen, das größer ist als jedes politische Programm.
Ach, man kann an dieser Szene alles lieben. Die Farben der Gewänder, den aufgewirbelten Staub, das feine Knistern der Palmblätter im Licht der sinkenden Sonne. Überhaupt - den altneuen Klang der Erwartung, welche über den Straßen der Stadt liegt. Das ist so oft gemalt worden, das liturgische Schauspiel, in dem die Menschen – ohne Regie – dennoch genau das Richtige tun: Sie bereiten den Weg einer königlichen Hoheit, deren Majestät in einem milden Gesetzeswerk wurzelt, das im Herzen entzündet und nie in Kanonen.
Jesus kommt nicht hoch zu Ross, sondern auf einem Esels-Fohlen, das den Staub der Straße fast noch gar nicht kennt. Und darin liegt der Glanz des Reiches, das Joseph Ratzinger einmal die „Herrschaft des Sinns“ nannte. Das Königtum, das sich nicht durch Gewalt behauptet.
Der Einzug Jesu in die Stadt Jerusalem lässt diese merkwürdige Umkehrung der Rangordnung erkennen. Die Welt begrüßt ihren Herrn und weiß zugleich kaum, wen sie da begrüßt. Die Palmenzweige rascheln als fragile Insignien einer Macht, die niemanden anschreit, sondern die Ohren heilt. In dieser Stille - kurz vor der Tragödie - erscheint die wahre Königliche Hoheit. Unerkannt und doch erkannt, jung und doch alt wie der Ursprung selbst.
Autor:Matthias Schollmeyer |
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