Missbrauch
Wenig Zeit für evangelische Entschädigungsregeln

Foto:  epd-bild/Jens Schulze

Im Frühjahr einigten sich evangelische Kirchenvertreter und Betroffene auf eine Regelung zur Entschädigung sexualisierter Gewalt. Es war ein großer Aufarbeitungsschritt. Die pünktliche Umsetzung in jeder Gliedkirche ist aber fraglich.

Von Corinna Buschow und Franziska Hein

In der evangelischen Kirche gibt es die Sorge, dass die vereinbarten Regeln zur Entschädigung Missbrauchsbetroffener nicht wie geplant flächendeckend zum 1. Januar in Kraft treten können. Bei der Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) appellierten Mitglieder des Beteiligungsforums, das die sogenannte Anerkennungsrichtlinie erarbeitet hat, eindringlich an Landeskirchen und diakonische Landesverbände, die Regelung umzusetzen.

Die Richtlinie sei nur dann ein «Meilenstein», wenn sie einheitlich umgesetzt werde, sagte die Sprecherin der Betroffenen, Nancy Janz, am Montag in Dresden. Die für das Thema zuständige pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst sagte, es müsse gelingen, dass Landeskirchen und Diakonieverbände «über den föderalen Schatten springen».

Die Richtlinie regelt die Verfahren, über die Menschen, die Opfer sexualisierter Gewalt in der Kirche oder diakonischen Einrichtungen geworden sind, Entschädigungen erhalten. Kernstück der Reform ist ein einheitliches Modell für die finanziellen Leistungen, die bislang in den Landeskirchen sehr unterschiedlich ausfallen. Die Richtlinie sieht eine pauschale Summe in Höhe von 15.000 Euro vor, wenn es sich um eine nach heutigen Maßstäben strafrechtlich relevante Tat handelt. Zusätzlich kann es individuelle Leistungen ohne finanzielle Obergrenze geben.

Richtlinie soll ab 1. Januar überall gelten

Die Richtlinie ist bereits vom Rat der EKD sowie der Kirchenkonferenz, dem Zusammenschluss der Landeskirchen, beschlossen worden, muss aber in den zuständigen regionalen Gremien noch umgesetzt werden. Erarbeitet wurde die Richtlinie vom Beteiligungsforum, in dem Betroffenenvertreter und Kirchenvertreter über Aufarbeitung, Prävention und Entschädigung sexualisierter Gewalt beraten.

Die pfälzische Kirchenpräsidentin Wüst sagte, «bis zum Erweis des Gegenteils» gehe sie davon aus, dass die Richtlinie zum 1. Januar 2026 in allen Landeskirchen und diakonischen Verbänden in Kraft ist.
Sie betonte, es scheitere «nirgendwo daran, dass inhaltliche Hürden zu nehmen sind». Die Frage sei eher, wann die zuständigen Gremien zusammenkommen. Im November stünden noch einige Synoden in den Landeskirchen an.

Betroffenensprecherin dringt auf mehr Tempo

Die EKD-Synode fordert inzwischen für jede ihrer jährlichen Tagungen einen Bericht des Beteiligungsforums über den Stand der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt an. Die Betroffenensprecherin Janz beklagte vor den Synodalen eine mangelnde Teilhabe an der Entscheidungsmacht in der Kirche. «Unsere 'Macht' hängt davon ab, wer gerade zuhört, wer uns ernst nimmt, wer in den entscheidenden Momenten Verantwortung übernimmt», sagte sie. Sie beklagte zudem, dass vielen Betroffenen beim Warten auf Veränderungen die Zeit ausgehe. «Während wir ringen, verhandeln, werden die Menschen, um die es geht, älter», sagte sie.

Wüst sagte, es gebe Fortschritte, für die sie dankbar sei. Es gebe aber auch «Momente, in denen ich daran verzweifeln könnte, dass wir noch nicht weiter sind», schloss sie ihren Bericht an die EKD-Synode.

(epd)

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Online-Redaktion

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