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Versagendes Systems

Katja Schmidtke | Foto: Steffen Wolf
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 An die erste internationale Bildungsstudie Pisa erinnere ich mich noch gut. Sie erschien 2000, im Jahr, bevor ich Abitur machte. Während die Ergebnisse landauf, landab diskutiert und Reformen angestoßen wurden, verließ ich 2001 das kleinstädtische Gymnasium mit dem Gefühl, dass meinen Klassenkameraden und mir die Welt offen steht.

Von Katja Schmidtke

Mehr als 20 Jahre, ein Hochschulstudium und zwei Kinder später blicke ich mit Entsetzen auf aktuelle Bildungsstudien, wie zuletzt Iglu. Sie misst, wie gut die Lesekompetenzen der Viertklässler in rund 60 Ländern der Erde sind. Die Ergebnisse: Deutschland ist höchstens Mittelmaß. Das Land schafft weder eine Spitzenförderung noch ein großes Feld von guten Junglesern. Was mich am meisten erschreckt: Ein Viertel der Viertklässler erreicht den international festgelegten Mindeststandard im Lesen nicht. Und: Die Bildungschancen von Kindern hängen immer noch zu stark von ihrer Herkunft ab.

Kinder mit Migrationserfahrung werden in einem Land, dessen Wirtschaftsleistung in hohem Maße von klugen Köpfen abhängt, zu Verlieren gemacht – und das Perfide ist, dass ihnen selbst und ihren Eltern die Schuld dafür in die Schuhe geschoben wird. Von Schuld zu sprechen, ist einfacher, als über Verantwortung zu reden. Verantwortung, die wir als Gesellschaft, als Gemeinschaft übernehmen müssten. Kinder sind nicht verantwortlich für die Lebensumstände, in die wir sie geboren haben.

Natürlich braucht es Eigeninitiative, Fleiß und Resilienz, wenn kleine (und große) Menschen lernen. Natürlich erfordert es Anstrengung und Engagement. Alles ist schwer, bis es leicht wird. Aber ein Viertel der Viertklässler – und das in jedem Jahrgang – das sind keine Einzelfälle. Das ist Systemversagen.

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Für eine neue Lernkultur
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Katja Schmidtke

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