Hospiz
Am Ende des Lebens
- Ein gutes Team: Tim Wache und Martina Grimm. Das Hospizbuch-Projekt verfolgen sie seit 2019. Fünf Euro pro verkauftem Buch werden an das Jenaer Hospiz gespendet.
- Foto: Foto: Julia Reinard
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„Was ich unbedingt noch sagen möchte …“ heißt das Buch von Tim Wache. Darin erzählen Sterbende von ihrem Leben. Warum es trotzdem ein lebensbejahendes Buch ist.
Von Julia Reinard
"Man denkt – und das ist der Feh-ler –, man hat Zeit“, sagt Tim Wache nach mehr als 50 Gesprächen mit Menschen kurz vor ihrem Tod. Der 39-Jährige sitzt auf einer Bank vor seinem Haus in Neuengönna (Kirchenkreis Jena), neben ihm nimmt Martina Grimm, seine Lebens- und Arbeitsgefährtin, Platz.
Gemeinsam haben sie im Herbst 2024 ihr zweites Hospizbuch veröffentlicht: „Was ich unbedingt noch sagen möchte …“. „Dieses Mal suchte nicht ich die Sterbenden auf. Dieses Mal fanden sie mich“, erklärt Tim Wache im Prolog des Buches. Elf dieser Begegnungen sowie ein absenderloser Brief mit einer Lebensbeichte landeten in diesem Band.
So begegnet man im Buch beispielsweise dem 86-jährigen Manfred, der seinen besten Beziehungsrat teilt: In schwierigen Momenten die Frage zu stellen: „Willst du Mitgefühl oder Lösungsvorschläge?“ Mit der Frage hätten er und seine Frau sich viel Streit erspart.
Oder Brigitte, die immer mit außergewöhnlicher Disziplin auf ihre Gesundheit geachtet hat und nun trotzdem mit 64 Jahren an Krebs stirbt. Diese scheinbar vergebliche Lebensmüh’ bringt Tim Wache dazu, die Begegnung zu unterbrechen. Eine Pause, die seinen Fokus ändert – anschließend wirft er das Licht anders auf die Lebensereignisse von Brigitte: Dass ihre Gesundheit, ihre hart erarbeiteten, beglückenden Momente und die sehr gute Beziehung zu ihren Töchtern selbst erschaffene Leistungen waren.
Oder die Familie der todkranken siebenjährigen Sarah, deren Herz „Rudi“ manchmal „stolpert“, weshalb sie nicht mehr lange leben wird. Man erlebt mit, wie herzlich und freudvoll die Mama mit Sarah und dem kleinen Bruder Tom umgeht, wie Tim Wache bei seinem Besuch mit Gefühlen und Tränen ringt und dass Sarah so kindlich-altkluge Sätze sagt wie: „Nur weil man sterben muss, kann man trotzdem fröhlich sein.“
Seine Methode ist, die Begegnung so stehen zu lassen, wie sie geschah, ohne nachzuforschen, ob Inhalte stimmen. Er gibt ihr jedoch eine literarisch passende Form. Hinzu kommen die Grafiken von Martina Grimm. Denn jede Begegnung beginnt mit einem symbolhaften Porträt.
Ein Zusammenspiel, das Tim Wache und Martina Grimm auch in der Arbeit, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienen, anwenden. Im gemeinsamen Verlag „Meilensteine“ schreiben sie im Auftrag die Geschichte von Unternehmen und Menschen – literarisch umgesetzt, was den bloßen Informationen einen Interpretationsspielraum hinzufügt.
Das Hospiz-Projekt war 2019 hinzugekommen, nachdem ein Beitrag Tim Waches über eine ehrenamtliche Ster-bebegleite-rin von einer Redaktion abgelehnt wurde und zeitgleich in Jena ein Hospiz eröffnete – „am Stadtrand, mit nur zwölf Betten“, wie er sagt. Sterben scheine für die Lebenden kein Thema zu sein, so sein Fazit. Das wollten die beiden mit dem Hospizbuch-Projekt ändern. Die Herstellung finanzierten sie über eine Crowd-funding-Aktion.
„Die Gespräche sind normaler, als man vermutet, aber ohne die üblichen Ablenkungen, ohne den alltäglichen Blödsinn“, sagt Tim Wache. Denn Menschen, die bald sterben, seien „klar“. Das gäbe den Gesprächen eine Ernsthaftigkeit und Tiefe, „die ich heute oft vermisse“. Mehr noch, er glaubt, was den Menschen fehle, seien „echte, authentische Begegnungen“.
Die Gespräche, die Wache mit Sterbenden geführt hat zu lesen, kostet Mut, wird aber belohnt, das meint auch der Autor selbst: „Thematisch geht es ums Sterben, aber es ist ein lebensbejahendes Buch.“
Die Bücher "Was ich noch zu sagen hätte …" und "Was ich unbedingt noch sagen möchte" von Tim Wache sind im Eigenverlag Meilensteine erschienen und können über den Autor bezogen werden.
Autor:Online-Redaktion |
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