Wie Zeitzeugen mit den Erinnerungen umgehen
Als Plessa in Flammen stand

- Ruth Ahlsdorf und Reinhard Dittmann (damals 10 und 4 Jahre alt) zeigen Fotografien von der ausgebrannten Kirche, dem Zustand von Plessa nach dem Krieg, vom abgebrannten Kaufhaus und von der Ruine des Gasthauses Schüler.
- Foto: Veit Rösler
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Die meisten heute noch lebenden Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges haben das Kriegsende und das mehrmalige Überrollen der Frontlinie als Kinder miterlebt. In Plessa im Kirchenkreis Bad Liebenwerda wurde daran erinnert.
Von Veit Rösler
Mit mehreren Aktionen wird an die mit dem Kriegsende verbundenen schrecklichen Ereignisse erinnert: mit einem 15-minütigen Glockengeläut, einer Andacht mit Lektor Renè Teutsch, einer Kranzniederlegung am Denkmal für die Opfer beider Weltkriege, einem Vortrag vom Historiker Sebastian Rick und einem Film mit dem Titel: „Plessa – Partisanendorf“.
Überall im Land mahnen die letzten Spuren des Krieges und Kriegsgräber zum Frieden und zur Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte. Die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges und der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten verstummen nach und nach. Deshalb ist es wichtig, dass sich die nachfolgenden Generationen für die Erinnerungen an das Grauen des Krieges einsetzen und diese wachhalten. Dieser Meinung sind der heute 83-jährige Reinhard Dittmann (damals 4 Jahre) und die 90-jährige Ruth Ahlsdorf (damals 10 Jahre) aus Plessa. Bei beiden Familien sind am 25. April 1945 die Wohnhäuser abgebrannt.
Reinhard Dittmann hat mit mehreren Plessaer Familien in einem in den Elsterdamm gegrabenen provisorischen Bunker quasi unter freiem Himmel gewohnt. Sie hörten von weitem die Schüsse im Ort, die Schreie der Menschen und der Tiere, sahen die schwarzen Rauchschwaden an unzähligen Stellen, und dann hörten sie die in den Turm der Kirche fallenden Glocken.
Ruth Ahlsdorf hat mit ihren Eltern im Gasthaus Schüler gewohnt. „Ich kann mich noch erinnern, als ich zurück geschaut habe, wie der Dachstuhl im Feuer eingestürzt ist“, meint sie mit Tränen in den Augen. Die Familie hat dann zunächst versucht, bei Verwandten in Lauchhammer eine Bleibe zu finden. „Wir konnten nur im Gänsemarsch am Straßenrand nach Lauchhammer laufen. Auf der Hauptstraße sind uns ohne Unterbrechung Kolonnen von Militärfahrzeugen entgegen gekommen“, erinnert sie sich. „Die Erwachsenen haben penibel darauf geachtet, dass wir Kinder uns keine Toten angucken“, meint sie. Gegenüber der Ruine vom Gasthaus Schüler seien nahe der Kirche in einem wilden Massengrab eilig zahlreiche russische Soldaten begraben worden.
Insgesamt 724 Gebäude, damit mehr als die Hälfte von Plessa, sind um den 25. April 1945 niedergebrannt, 155 Zivilisten ums Leben gekommen und 55 deutsche Soldaten gefallen. Eine unbekannte Anzahl Soldaten der Roten Armee, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene wurden in und um Plessa massakriert. Mehrere Formationen und Gruppen der zehnten SS-Panzerdivision Frundsberg konnten am 20. April 1945 aus dem von den sowjetischen Truppen geschlossenen Spremberger Kessel ausbrechen. Am 24. April stand die SS in den Wäldern bei Plessa. Es setzte sich ein Gefecht unglaublicher Brutalität, ein schreckliches Gemetzel in Gang.
Der Weg durch Plessa war schließlich durch viele Erschlagene und Er-schossene gekennzeichnet. Nach einer knappen Stunde zog die Abteilung mit ihren Panzern auf der Ortrander Chaussee in Richtung Schraden weiter. Dicht aufgeschlossen folgte ihr ein großer Zug Zivilisten mit Handwagen, Kinderwagen oder anderweitig Bepacktem. Eine ähnliche Szenerie gab es einen Tag zuvor auch schon in Hohenleipisch. Nun folgte in beiden Orten ein Rachefeldzug! Allgemein wurde die Erfahrung gemacht, dass die an vorderster Front kämpfenden Sowjetsoldaten ein humaneres Verhalten an den Tag legten als die nun am 25. April nach Hohenleipisch und Gorden beorderten Mord- und Brandkommandos der Roten Armee.
Insgesamt 42 Zivilisten kamen in diesen Tagen in Hohenleipisch um. Allein am 25. April wurden 26 Einwohner erschossen oder auf andere Weise getötet. Zahlreiche Gebäude wurden angezündet. Nach ihrem Werk wurden die Brandkommandos nach Plessa gerufen. Hier spielte sich ähnliches ab. Morgens gegen 9 Uhr stand Plessa in Flammen. Aus dem brennenden Rauchmeer ragte die Kirche heraus. Der südliche Ortsteil mit Wohnhäusern und Scheunen versank in Schutt und Asche.
Dort hatten am Tag zuvor die meisten sowjetischen Gefallenen gelegen. Weithin sichtbar waren die drei Rauchsäulen der brennenden Dörfer Hohenleipisch, Döllingen und Plessa. Neben einstürzenden Dachstühlen waren von weitem das Brüllen der Kühe und andere klägliche Schreie zu hören. Auch die Plessaer Kirche ging in den Flammen unter. Mit einem letzten Akkord stürzten die Glocken in die Tiefe. Sie hörten von weitem die Schüsse, die Schreie der Menschen und Tiere und dann die in den Turm der Kirche fallenden Glocken.
Autor:Online-Redaktion |
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