Predigttext zum Sonntag
Wenn Gott sich erbarmt

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Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben.  Jona 1, Vers 6 b

Wie weit geht Gottes Erbarmen? Ein dichterisches Genie in spätalttestamentlicher Zeit hat dazu ein Kleinod hinterlassen: die Erzählung vom Propheten Jona und der bösen, heidnischen Stadt Ninive. Jona soll ihr Gottes Gericht ansagen. Er flieht per Schiff in entgegengesetzter Richtung. Gott lässt seinen Propheten nicht entkommen: Ein Sturm bringt das Schiff fast zum Kentern; Jona, über Bord geworfen, vom Fisch verschlungen und drei Tage später an Land gespien, erhält denselben Auftrag zum zweiten Mal. Diesmal führt er ihn aus. Unerwartet findet die Botschaft Gehör: Ninive kehrt um, und Gott sieht vom Gericht über sie ab.

Das ärgert den Propheten so, dass er sterben will. Er gesteht den Grund seiner Flucht: Wissend um Gottes Güte und Geduld, kann er sie nicht zulassen. Ärgerlich setzt er sich außerhalb nieder und will sehen, was geschieht. Anhand eines Rizinus, der an einem Tag wächst und am nächsten verdorrt, befördert durch Glutwind und Sonne, wird Jona selbst zur Rechenschaft gezogen: Warum kannst du mein Erbarmen mit anderen nicht ertragen? Diese Frage an den Propheten steht am Schluss; offen bleibt, ob er seinerseits umkehrt.

Ein ungeheurer Optimismus spricht uns da an, mitten in allen prophetischen Erfahrungen von Vergeblichkeit: Schiffsleute, die „jeder seinen Gott“ anriefen, sind von Jonas Erzählung getroffen und beten den Gott Israels an. Die böse Stadt lässt sich ermahnen und kehrt um. Gott als Lenker des Geschehens erbarmt sich aller. Nur sein Prophet, zweifelnder Theologe, steht im Weg und will es nicht dulden. Dabei schläft er, wie später Jesus im Boot, mitten im Sturm in aller Ruhe. Er bekennt mutig seinen Glauben. Die Gerichtspredigt führt er professionell aus. Und mitten im Bauch des Fisches singt er einen der gewaltigsten Psalmen überhaupt und hat damit Recht!

Jona steht draußen wie der ältere Sohn im Gleichnis, der das Fest für den zurückgekehrten Bruder nicht mitfeiern will. Wird er aushalten, dass sein Wissen von der Barmherzigkeit Gottes plötzlich wirklich wird? Dann könnte er sich mitfreuen! Mitfreude ist die angemessene Antwort, wenn Gott sich erbarmt.

Ulrich Placke, Pfarrer i.R., Weimar

Ulrich Placke,
Pfarrer i. R., Weimar | Foto: privat
Autor:

Online-Redaktion

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