Wort zur Woche
Von Scherben, Kerzen und Gebeten
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Wochenspruch: Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. Psalm 66,20
In der Stiftskirche auf dem Petersberg, nördlich von Halle, gibt es eine Gebetsecke. Dort liegen Kerzen, Scherben und Bibelworte. Bevor wir Schwestern und Brüder mit unserem Morgengebet beginnen, zünden wir in dieser Gebetsecke eine Kerze an. Im Laufe des Tages entzünden sich an dieser einen Kerze viele Kerzen. Dazwischen liegen manchmal auch Scherben für das, was zerbrochen ist und schmerzt. Die Kirche ist den ganzen Tag geöffnet.
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Wenn ich zum Abendgebet in die Kirche komme und mein Blick auf die Gebetsecke fällt, bin ich oft berührt, denn nicht selten sehe ich dort ein ganzes Meer aus Kerzen. Und dann frage ich mich, wie viele Zwiegespräche mit Gott hier heute wohl stattgefunden haben und auch wie viele Tränen geflossen sein mögen. Staunend und auch ein bisschen ehrfürchtig stehe ich kurz einfach nur da, mit Blick auf die vielen Kerzen, Scherben und die Schale mit den Bibelworten, die sich im Tagesverlauf deutlich geleert hat.
Für mich ist das ein Zeugnis dafür, dass wir Menschen in allem Zweifeln und nicht-glauben-Können doch etwas ahnen von Gott, von seiner Gegenwart. Und manchmal sogar glauben können, dass alles, wirklich alles, von Gott gehört, gewusst und mitgetragen ist. Nichts geht verloren. Und diese Gebetsecke, in der so viel im Stillen geschieht, zeugt für mich auch davon, dass es in uns Menschen eine gute Portion Trotzkraft gibt, die Leben will und Leben sucht: zaghaft, kraftvoll, zögerlich, zweifelnd, bittend, flehend. Wie wunderbar, wenn solch eine Gebetsecke diese Trotzkraft zum Vorschein bringt.
Ich stehe noch immer da, löse meinen Blick von den vielen Kerzen und Scherben und warte auf das Glockenläuten, mit der unser Abendgebet beginnt. Ja, Gott, dich lobe ich, dass du mein, unser, jedes Gebet nicht verwirfst, sondern sammelst wie die Tränen in einem Krug und für uns Trösterin, bergende Zuflucht oder mitgehender Hirte sein willst.
Schwester Martina Stieber,
Vikarin, Kloster Petersberg
Autor:Online-Redaktion |
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