Rezension
Von der Heiligkeit der "Glaubensreste"

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Der inzwischen viel diskutierte Bedeutungsverlust des christlichen Glaubens lässt nicht nur Kirchenleitungen, Synoden und Gemeinden vor Ort nach neuen Wegen für die zukünftige kirchliche Arbeit suchen, sondern ruft auch Wissenschaftler und Kommentatoren des Zeitgeschehens außerhalb von Kirche und Christentum auf den Plan.

Von Christine Lieberknecht

Was passiert, wenn die Prägekraft des christlichen Glaubens zusehends schwindet, beschreibt der Philosoph, Germanist und Theaterdramaturg Bernd Stegemann in seinem Buch „Was vom Glauben bleibt“.

Als bekennender „Ungläubiger“ entfaltet Stegemann, dem „Hohen Lied der Liebe“ aus 1. Korinther 13 folgend, in den Kapiteln „Glaube“, „Hoffnung“ und „Liebe“ die Konsequenzen des verloren gegangenen Gottesbezugs anhand konstitutiver Glaubenselemente. Diese seien damit nicht „weg“, sondern im Gegenteil: Die weithin verloren gegangene christliche Konnotation von Glaube, Hoffnung und Liebe bedeute, so Stegemann, mitnichten den bereits seit der Aufklärung postulierten Freiheitsgewinn des Menschen durch „Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, sondern führe vielmehr zum Entstehen neuer, vom Menschen erhobener Absolutheitsansprüche.

Verbunden damit sei die Verfolgung jeglicher abweichenden Meinung. Ideologische Übertreibungen, Populismus, Fanatismus und Fundamentalismus in den verschiedensten Ausformungen seien allseits sichtbar.
Der Verweis auf die Diktaturen des 20. Jahrhunderts ist dem Autor nicht nur Beleg für seine Beobachtungen der Vergangenheit, sondern zugleich warnendes Beispiel im Hinblick auf die Verabsolutierung von „Wahrheit“ während der zurückliegenden Coronapandemie, bei den Herausforderungen durch die Klimakatastrophe, in den aktuellen Debatten um Geschlechterfragen oder bei der Aufarbeitung des postkolonialen Erbes.

Auf der Suche nach den „in tausend Teile“ zersprungenen religiösen Elementen kennt Stegemann kein Tabu. Das lässt das Buch neben der Auseinandersetzung aus atheistischer Sicht mit zentralen Fragen des christlichen Glaubens und kirchlicher Überlieferungen auch zu einem politisch spannenden Leseerlebnis werden.
So sehr das Aufspüren von „Glaubensresten“ Stegemann zum erfolgreichen „Sucher“ werden lässt, so schmerzlich vermisst er am Ende die christliche Tugend der Demut.

Wieder mehr Demut als das „größtmögliche Andere“ zur Grausamkeit des sich selbst an die Stelle Gottes setzenden Menschen könnte „die Welt bewahren oder sogar besser machen“. Mit Glaubensresten „wieder in Berührung zu kommen und ihnen ihre Heiligkeit zurückzugeben, dazu helfen – vielleicht – nur der Glaube, die Hoffnung und die Liebe“ – das ist für den suchenden Philosophen ein bemerkenswertes Ergebnis, um „aus der atheistischen Apokalypse“ wieder herauszufinden.

„Die Kraft des Glaubens lebt auch dann, wenn nur noch die Geschichten von ihm erzählt werden“, zeigt sich Stegemann zuversichtlich.  Als Christen die Geschichten unseres Glaubens zu erzählen, nehme ich gerne als einen konkreten Hinweis des Autors für das eigene Tun, um so manchem „Glaubensrest“ eine neue Lebendigkeit im christlichen Sinne zu vermitteln. 

Stegemann, Bernd: Was vom Glauben bleibt, Klett-Cotta, 288 S., ISBN: 978-3-608-98830-7; 25,00 Euro
Bezug über den Bestellservice Ihrer Kirchenzeitung: Telefon (0 36 43) 24 61 61

Foto: Foto: epd-bild/Christian Ditsch
Autor:

Online-Redaktion

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