Glaubensserie (23): Jakob schaut die Himmelsleiter
Gottes Klettersteig

- Auch wenn die Verbindung zum Himmel oft steil und ohne Sicherheitsnetz erscheint, ist Gott bei den Menschen auf ihrem Weg.
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"Was die Seele benötigt, schafft sie sich in den Bildern ihrer Träume", heißt es in einem Sprichwort. Von einem außergewöhnlichen Traum eines Mannes auf der Flucht und um die Folgen für sein Leben weiß die Bibel zu berichten.
Von Dietrich Bauer
Die Erzählung von Jakob und der Himmelsleiter gehört zu den schönsten und provokantesten der Bibel. Sie ist in keinem Falle eine beschauliche Geschichte, sondern hat die Potenz, unser Weltbild durcheinanderzuwirbeln. Das fängt mit Jakob an und hört mit Gott auf.
Der Name Jakob bedeutet so viel wie „Gott hat beschützt“. Jakob ist der jüngere Zwilling von Esau und hielt bei der Geburt die Ferse seines um kürzeste Zeit älteren Bruders. Während Esau ein umherziehender Jäger wurde, blieb Jakob bei den Zelten. Möglicherweise ist hier ein zivilisatorischer Umbruch angedeutet.
Esau gehört zur Kultur der Jäger und Sammler. Jakob dagegen ist Repräsentant derer, die sesshaft geworden sind. Dies zieht eine Neudefinition von Besitz nach sich. Wer über die Felder streift, kennt keine Grenze, und das Wild gehört dem, der es erlegt. Für die Sesshaften ist es notwendig, Grenzen für Flur und Felder zu bestimmen. Und ganz wichtig: Die Erbfolge zu bestimmen. Denn je mehr Geschwister es gab, umso kleiner wäre im Erbfall das Land und die Viehherden. Dies war in der Agrarwirtschaft auch eine wirtschaftliche Frage. In vielen Kulturen erbte der älteste Sohn.
Jakob handelt Esau das Erstgeburtsrecht ab und betrügt ihn zusätzlich auch noch um den väterlichen Segen des Erstgeborenen, der ihn endgültig zum Herrn über allen Besitz und Jakob gesetzt hätte. Jakob luchst mit Hilfe seiner Mutter dem Vater diesen wichtigen Segen ab. Dieser sieht sich nicht mehr in der Lage, den auf falschen Voraussetzungen beruhenden Segen zurückzunehmen.
Denn Segen ist eine Wirkmacht im Namen Gottes, die an das Wort gebunden ist. Ein von Menschen ausgesprochenes Wort kann zwar erklärt, relativiert oder verziehen werden, aber in seiner Wirkung bleibt es bestehen und kann nicht zurückgenommen werden. Wie erst ein Segenswort im Namen Gottes? Daraufhin nimmt sich Esau vor, Jakob zu töten. Davon erfährt die Mutter der beiden, die es Esau übelnimmt, dass er zwei Frauen aus fremden Sippen geheiratet hat.
Will man hier ein Zwischenresümee ziehen, so kann man zu dem Schluss kommen: Jakob ist ein Betrüger. Am Anfang unserer Kultur der Sesshaftigkeit steht Lug und Trug. Ein Segenswort, einmal ausgesprochen, kann von Menschen nicht in seiner Wirkung zurückgenommen werden. Und von Gott?
Davon erzählt die Geschichte von der Himmelsleiter. Jakob flieht und übernachtet an einer „Stätte“, nimmt sich von dieser einen Stein und legt ihn unter seinen Kopf, um bequemer zu schlafen. „Stätte“ klingt ein wenig so, als ob es da schon einmal eine Bebauung gegeben hat, vielleicht ein altes Heiligtum, jedenfalls weiß die Erzählung, dass es hier schon vorher eine Stadt Lus gab. Jakob beginnt zu träumen: Er sieht eine Leiter, auf welcher Engel auf- und niedersteigen. Ganz oben steht Gott, dessen Gestalt nicht beschrieben ist, weil jener keine nach menschlichem Erkenntnisvermögen hat.
Gott übermittelt dem träumenden Jakob die Botschaft: "Ich bin der Gott Abrahams und Isaaks, das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und ich will dich auf allen deinen Wegen beschützen und will dich wieder in dieses Land zurückbringen."
Jakob wacht erschrocken auf; er nimmt diesen Traum und die Botschaft Gottes ernst. Er ruft die Worte: „Wie heilig ist diese Stätte. Hier ist die Pforte zum Himmel.“ Er baut aus dem Stein, worauf er träumte, so etwas wie einen Altar, weiht die Stätte und nennt sie Beth-El, was Haus Gottes bedeutet.
Eine zweite Zwischenbilanz könnte heißen: Es gibt Orte, die sind heilig, weil sie offenbar Menschen in Stand setzten, Gottes Botschaft zu hören. Gott spricht nicht nur durch das Wort, sondern offenbart sich, indem er sich in einen Traum kleidet. Und er gibt einem Segensbetrüger ein Heilsversprechen. Mich erinnert das an den Beginn des Glaubensbekenntnisses von Dietrich Bonhoeffer (1943): „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.“
Jetzt kommt noch eine weitere – für unseren Geschmack – Unverfrorenheit Jakobs: Jakob legt ein Gelübde ab, dass, wenn Gott ihn beschützt und in Frieden zu seinem Vater zurückkehren lässt, er Gott als seinen Herrn anerkennen, ihm an der Traumstätte ein Gotteshaus bauen und zudem den zehnten Teil seines Besitzes stiften will.
Was soll man dazu sagen? Der Betrüger stellt Gott auf die Probe, ob dieser kann, was er verspricht. Das ist die unglaubliche Quintessenz dieser Erzählung: Gott schützt den Betrüger und lässt sich auf seine Bedingungen ein. Wozu? Weil Gott Gott ist und er das Leben und die Menschen mit all ihren Irrtümern und Fehlern liebt. Und zwar mit einer Liebe, von der Jakob eine Ahnung bekam, als er um Rahel sieben Jahre diente, um sie heiraten zu dürfen: "Es kam ihm vor, als wären’s einzelne Tage, so lieb hatte er sie."
Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Diakonie Sachsen.
Gesprächsimpulse
- Welche unscheinbaren Orte in meinem Leben könnten heiliger Boden sein?
- Wo könnte ich mit Gottes überraschender Nähe rechnen?
- Gott verwirft unsere krummen Wege nicht, sondern webt sie in seine Geschichte ein. Glaube ich das auch für mein eigenes Leben?
Nächste Folge:
Kain und Abel (1. Mose 4,1-16)



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