Zum Tag der Kaffeepause
Mit Löschpapier und Konservenbüchse

Foto: pexels.com/Tim Douglas

Kaffee aus der Kapsel oder doch aus dem Filter? Hip ist der gute alte Filterkaffee zwar nicht, doch lässt er sich leichter auch kannenweise aufbrühen. Vor 150 Jahren wurde Kaffeefilter-Erfinderin Melitta Bentz geboren.

Von Nina Schmedding 

Ein paar Löffel Kaffee, darüber frisch gekochtes Wasser - und dann: Geduld. Was sich heute per Knopfdruck schnell erledigen lässt, war noch vor 100 Jahren mit minutenlanger Warterei verbunden. Erst dann hatten sich die Kaffeekörner auf dem Boden der Tasse abgesetzt, und der Kaffee war trinkbar. Dennoch musste man sich anschließend regelmäßig die Krümel aus den Zahnzwischenräumen pulen.

Das Gefummel im Mund nach Kaffee-Genuss reichte der sächsischen Hausfrau und Kaffee-Liebhaberin Melitta Bentz irgendwann. Sie nahm aus dem Schulranzen ihres Sohnes ein Löschpapier, stanzte mit Nägeln und einem Hammer Löcher in den Boden einer Konservenbüchse, legte das Papier hinein - und hatte den ersten Kaffeefilter erfunden.

Vor 150 Jahren, am 31. Januar 1873, wurde sie in Dresden geboren. Ihr Unternehmen macht heute jährlich einen Umsatz von rund 1,9 Milliarden Euro und beschäftigt mehr als 6.000 Menschen weltweit. Im Angebot sind nicht mehr nur Kaffeefilter, sondern auch Kaffee, Kaffeemaschinen jeder Art sowie andere Haushaltsprodukte.

Der Durchbruch gelang Amalie Auguste Melitta 1908, mit 35 Jahren: Da man im Bekanntenkreis begeistert von der neuen Filter-Methode war, meldete sie ein Patent an - was Frauen lange verwehrt und insofern damals noch sehr ungewöhnlich war. Am 20. Juni 1908 erteilte das Kaiserliche Patentamt Gebrauchsmusterschutz für ihren Rund lter mit vorgefertigtem Filterpapier. Ihr Startkapital betrug 73 Pfennige.

Eine ungewöhnliche Karriere begann, denn Melitta Bentz war eigentlich Hausfrau und Mutter. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Johannes Emil Hugo Bentz gelang ihr der Aufbau des Kaffee-Unternehmens. Ihr Enkel Thomas, der sechs Jahre alt war, als sie 1950 starb und sie noch persönlich kennenlernte, beschrieb sie in einem Interview der Süddeutschen Zeitung einmal als eine ganz normale Großmutter, gütig und wohlwollend, aber auch als eine sehr kraftvolle, lebhafte Persönlichkeit mit enormer Willenskraft, großem Durchhaltevermögen und einen unbändigen Drang, unabhängig zu bleiben.

Diese Eigenschaften benötigte sie auch, um aus der simplen, aber genialen Erfindung einen wirtschaftlichen Erfolg zu machen. Das Ehepaar Bentz und seine Söhne Willy und Horst waren die ersten Mitarbeiter des aufstrebenden Unternehmens. Diese packten auch als Kinder bereits mit an, etwa als Lieferanten. Die kleine Vierzimmerwohnung in der Pirnaischen Vorstadt wurde für das schnell wachsende Geschäft zu klein, so dass das Familienunternehmen bald umziehen musste. Fortan erfolgte die Produktion in einem mehrstöckigen Hinterhaus in Trachau.

Der Erste Weltkrieg bedeutete für das Unternehmen einen Rückschritt, Hugo musste in den Krieg, Melitta führte das Unternehmen weiter. Sie brachte sich und ihre Kinder - 1911 kam noch eine Tochter hinzu - mit der Produktion von Kartons durch die Kriegsjahre. In den 1920er-Jahren wuchs das Familienunternehmen stark - das Ehepaar Bentz suchte dringend und vergeblich nach einem Gebäude in Dresden, das genug Platz bot.

Durch einen Zufall ergab sich eine Lösung: Wenn Melitta und Hugo auf dem Weg von Dresden zu ihrem Papierlieferanten ins Rheinland reisten, übernachteten sie immer in Minden, einfach, weil das die Hälfte der Strecke war. Bei einem ihrer Aufenthalte erfuhren sie dann, dass eine alte Schokoladenfabrik leer stand - für ihre Zwecke gerade groß genug. Sie kauften sie und zogen mit der gesamten Firma an einem Osterwochenende um. Die Stadtväter hatten sie mit dem Angebot gelockt, ihnen fünf Jahre Steuern zu erlassen, wenn sie nach Minden zögen.

Melitta besaß früh auch einen Sinn für den Aufbau einer eigenen Marke: Seit 1923 sind die Farben des Unternehmens rotgrün, um sich von anderen unterscheiden zu können. Bei der Werbung nutzt die Firma auch gern die Tatsache, dass eine Frau die entscheidende Er ndung geliefert und den Grundstein für das Unternehmen gelegt hat. Im Jahr 1976 etwa lautete der doppeldeutige Werbespruch: Melitta - Praktische Hausfrauen haben oft die besten Ideen.

(KNA)

Autor:

Online-Redaktion

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