USA
Ein Jahr nach dem Anti-Abtreibungs-Urteil

Foto:  epd-bild/Heike Lyding

Das grundsätzliche Gerichtsurteil gegen Schwangerschaftsabbruch vor einem Jahr sollte in den USA einen Schlusspunkt im Abtreibungsstreit setzen. Die von Gegnern erhoffte Zeitenwende ist jedoch nicht eingetreten.

Von Konrad Ege (epd)

In den USA gibt es ein Jahr nach dem Grundsatzurteil zum Schwangerschaftsabbruch einen politischen Flickenteppich. Betroffene Frauen müssen sich in einzelnen Bundesstaaten mit diversen Gesetzen zum Schwangerschaftsabbruch auseinandersetzen. Abtreibungen sind in den USA stark umstritten.

Am 24. Juni 2022 hob das Oberste Gericht der USA das seit beinahe einem halben Jahrhundert wegweisende Grundsatzurteil «Roe v. Wade» auf. Demnach hatten Frauen landesweit das Recht, eine Schwangerschaft abzubrechen. Ausschlaggebend für die Aufhebung dieses Urteils waren drei vom früheren US-Präsidenten Donald Trump ernannte Richter. Nun darf jeder Bundesstaat ein Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch beschließen.

«Wir sind begeistert und überglücklich», kommentierte damals eine Vertreterin der «Liga für das Recht auf Leben». Römisch-katholische Bischöfe erklärten, sie dankten Gott. Dagegen empörte sich eine Vertreterin des Familienplanungsverbandes Planned Parenthood, das Urteil raube Frauen das Recht, über ihren Körper zu bestimmen «und gibt Politikern dieses Recht». Andere Kritikerinnen sprachen von «Zwangsschwangerschaften».

Seit dem Urteil haben 14 Staaten Abtreibung in fast allen Fällen verboten, darunter Texas, Oklahoma, Missouri und Idaho. Georgia verbietet den Schwangerschaftsabbruch nach der sechsten Woche, Arizona und Florida nach der 15. Woche, Utah nach der 18. und North Carolina nach der 20. In neun Staaten befassen sich laut einer Aufstellung der «New York Times» Gerichte mit vorgeschlagenen Restriktionen. Im Rest der USA ist Schwangerschaft weitgehend legal, auch in den bevölkerungsreichen Staaten Kalifornien und New York.

Die Bevölkerung ist weitgehend gespalten zur Frage Schwangerschaftsabbruch, mehrheitlich jedoch gegen ein Verbot. Laut einer als verlässlich eingestuften Erhebung des Pew Research Center im März und April 2023 vertreten 62 Prozent der US-Amerikaner die Ansicht, Abtreibung sollte in allen oder den meisten Fällen legal sein. 36 Prozent plädieren für Illegalität in allen oder den meisten Fällen. Die Zahlen hätten sich seit der Aufhebung des «Roe v. Wade»-Urteils kaum verändert. Joe Bidens Demokraten sind für legale Abtreibung, die Republikaner dagegen.

Die bisherigen Strafen richten sich gegen Ärzte und Personen, die bei einem Schwangerschaftsabbruch beistehen, nicht gegen die Frauen, die sich zum Abbruch entscheiden. Haftstrafen für Frauen gelten Abtreibungsgegnern offenbar als zu riskant.

Beim Jahrestreffen der protestantischen Kirche «Südlicher Baptistenverband» im Juni kam allerdings zur Sprache, warum schwangere Frauen nicht bestraft würden, wenn Abtreibung nach Auffassung des Verbandes doch Mord sei. Brent Leatherwood, Abtreibungsgegner und Vorsitzender der Ethikkommission der Kirche, verwies auf die Verwundbarkeit der Frauen gegen die «Abtreibungsmühlen» und die Pharmaindustrie. Lebensschützer müssten sich als Retter der Babys und Schützer der Mütter positionieren.

Wegen der unterschiedlichen Gesetze in den Staaten fordern Anti-Abtreibungsgruppen ein nationales Gesetz. Dazu bräuchte es einen republikanischen Präsidenten. Sie werde Kandidaten ablehnen, die sich nicht eindeutig zu einem nationalen Abtreibungsverbot nach der 15. Woche bekennen, sagte die Präsidentin der Lobbygruppe «Susan B. Anthony Pro Life America», Marjorie Dannenfelser. Von diesem Zeitpunkt an fühle das «ungeborene Kind quälende Schmerzen».

Die Vorwahlen beginnen Anfang 2024. In der republikanischen Partei sind die Zustände komplex. Anwärter von Mike Pence und Ron DeSantis bis hin zu Nikki Haley und Donald Trump verstehen sich als Schützer «ungeborenen Lebens». Sie sind jedoch vorsichtig mit konkreten Gesetzesvorlagen. Eine harte Linie hilft bei den Vorwahlen der Republikaner, könnte aber bei der Hauptwahl schaden.

Ausgerechnet Trump sorgt für Ungewissheit. Auf seiner Plattform Truth Social prahlte er, er habe «Roe v. Wade» «getötet». Als «unakzeptabel» kritisierte Dannenfelser jedoch eine kürzliche Erklärung der Trump-Wahlkampagne, die Bundesstaaten sollten über Abtreibungsgesetze autark entscheiden. Im Fernsehsender CNN im Mai ging Trump der Frage aus dem Weg, ob er ein Verbotsgesetz unterzeichnen würde. «Ich werde verhandeln, so dass die Leute glücklich sind», entgegnete der Ex-Präsident.

Demokratische Politiker hoffen, das gekippte «Roe v. Wade»-Urteil werde Befürworter und Befürworterinnen mobilisieren. Derweil wartet man auf ein Verfassungsurteil zur Forderung, der Abtreibungspille Mifepriston die Zulassung zu entziehen.

Autor:

Katja Schmidtke

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