DDR-KIRCHENVERLUSTE # 33
Verlorene Kirche Muskau in der Oberlausitz

Stadtkirche Muskau, vor 1945. | Foto: Gemeinfrei, CC0
  • Stadtkirche Muskau, vor 1945.
  • Foto: Gemeinfrei, CC0
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In der DDR wurden bis 1988 rund 60 Kirchen auf staatlichen Druck gesprengt. Die wohl bekannteste von ihnen war die Paulinerkirche Leipzig – auch Universitätskirche St. Pauli genannt – im Jahr 1968. Die Serie erinnert an verlorene Sakralbauten in Mitteldeutschland und darüber hinaus.

Sie wundern sich, die Touristen auf dem Kirchplatz in Bad Muskau: „Wo ist denn hier die Kirche?“ Ein Kirchplatz ohne Kirche – was anderswo für Kopfschütteln sorgen würde, ist in Bad Muskau Wirklichkeit. 

Geschichte
Grundsteinlegung für die evangelische Stadtkirche im spätgotischen Stil war 1605, Kirchweihe am 19. Mai 1622. 1643 von schwedischen Soldaten in Brand gesetzt, wurde sie bis 1646 wieder aufgebaut. 1766 fiel das Gotteshaus erneut in Schutt und Asche.

Bis 1782 erstand es leicht verändert: Das zuvor schlanke Turmoberteil mit doppelter Laterne wurde damals vereinfacht wiederaufgebaut, der Kirchturm bekam ein flaches Zeltdach.

Zweiter Weltkrieg und danach
Am Ende des Zweiten Weltkriegs brannte das Gotteshaus im April 1945 aus. Erhalten blieben die starken Umfassungsmauern, Sakristei, Patronats-Loge, das Gewölbe des Mittelschiffes und der Chor. Die Frage war: Wie sollte es weitergehen?

Das Gotteshaus diente Generationen von Protestanten regelmäßig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertraute, heimatliche Feierstätte für Taufe und Konfirmation, für Trauung, Silberne und Goldene Hochzeit und für den Heimgang Hunderter Bürger. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Andacht und Hoffnung, für Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid. Wie wohl jede andere Kirchgemeinde mit demselben Schicksal wünschten sich die Christen dort das Wiedererstehen ihrer Kirche.

Es blieb ein frommer Wunsch: Bis Mai 1948 gab es zwischen der Kirchenleitung und Sachsens Amt für Denkmalpflege Gespräche über den Wiederaufbau der Stadtkirche, doch diese blieben ergebnislos. Im Januar 1952 wurde die Stadtkirche enttrümmert sowie loses Gesteinsmaterial beseitigt.

Dann kam der 28. Juli 1958 - jener Montag wurde zum schicksalsreichen Tag in der Geschichte der evangelischen Kirchgemeinde in Muskau (die Zusatzbezeichnung „Bad“ kam erst 1961 zum Ortsnamen hinzu): Der Gemeindekirchenrat kam zu der gleichermaßen sachlichen wie resignierenden Feststellung, dass aus eigener Kraft weder die Kosten für den Wiederaufbau noch die Kosten für den Abriss der beschädigten Kirche aufgebracht werden könnten.

Monate später schuf der Rat des Kreises Fakten: Er, der weder Grundstücks- noch Gebäude-Eigentümer war, ordnete insgeheim den Kirchen-Abbruch an – eigenmächtig und als Affront zum Ministerium für Kultur, das den Abriss abgelehnt hatte. Doch das erfuhr die Kirchgemeinde erst im Februar 1959 und auch nur mündlich.

Noch später wurde bekannt: Der Rat des Kreises hatte für seine Entscheidung grünes Licht vom Rat des Bezirkes Dresden und auch vom Zentralkomitee der SED in Berlin bekommen – was für die ortsansässigen Genossen eine womöglich lästige Rücksprache mit dem fachlich zuständigen Institut für Denkmalpflege Dresden somit entbehrlich machte.

Staatlicherseits wurde ab 16. März 1959 die Sprengung vorbereitet, in einem Kirchendokument heißt es dazu ohnmächtig: „Da der Abriss bereits im vollen Gange ist, muss bedauerlicherweise die Kirchgemeinde der staatlichen Macht weichen.“ Am 25. März 1959 nahmen Muskaus Christen mit dem letzten Gottesdienst Abschied von ihrer Stadtkirche.

Es brauchte drei Wochen, um das offenbar sehr robuste Bauwerk dem Erdboden gleichzumachen: An vier Tagen zwischen dem 3. und dem 24. April 1959 donnerte das Grollen der Sprengladungen durch den Ort. Die Räum-Arbeiten und Abtransport der Kirchentrümmer dauerten bis Januar 1960.

Jüngere Vergangenheit und Gegenwart
Im Jahr 1973 entschloss sich die Kirchengemeinde Bad Muskau und verkaufte das Grundstück auf dem Kirchplatz, wo das Gotteshaus gestanden hatte. Der historische Kirchengrund wurde „Eigentum des Volkes“ – so die damalige offizielle Bezeichnung zur DDR-Zeit – und der Rat der Stadt Bad Muskau der Rechtsträger.

Seit einigen Jahren ist der Kirchplatz in Bad Muskau nun offiziell ein Platz des Erinnerns und der Mahnung. Dort, wo einst die stolze Kirche stand, steht ihre Miniatur-Ausgabe, ergänzt von erklärenden Text-Tafeln. Ein Holzkreuz gedenkt der auch als „Deutsche Kirche“ bekannten Stadtkirche.

Muskau hat 1959 mit der Sprengung seiner Stadtkirche mehr als nur ein herausragendes Bauwerk am Kirchplatz verloren.

Koordinaten: 51° 32′ 41,6″ N, 14° 43′ 20,7″ O

https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtkirche_(Bad_Muskau)

Autor:

Holger Zürch

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