Deutschlands ältestes Weihnachtslied
„Lückenfüller“ in dreifacher Ausführung

Aufbewahrt in Erfurt: Vermutlich im Jahr 1394 wurden Text und Noten in der "Amploniana" aufgeschrieben. | Foto:  Bibliothek der Universität Erfurt
  • Aufbewahrt in Erfurt: Vermutlich im Jahr 1394 wurden Text und Noten in der "Amploniana" aufgeschrieben.
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Wohl zu keiner Zeit im Jahr wird so viel gesungen und musiziert wie in den Weihnachtstagen – und dies wohl seit Jahrhunderten.

Von Angelika Reiser-Fischer

Was aber nur wenige wissen: Das älteste deutsche Weihnachtslied, das schon vor 630 Jahren schriftlich festgehalten wurde, steht in einer Erfurter Handschrift aus dem Mittelalter, der Amploniana. „Sys willekomen, lieve heirre“ heißt es.

So steht es geschrieben in der mittelalterlichen Handschrift des vom Niederrhein stammenden Gelehrten Amplonius Rating de Berka, der viele Jahre an der Erfurter Universität studierte, lehrte und später sogar ihr zweiter Rektor wurde. So werden die Menschen in Deutschland dieses Lied damals zu Weihnachten in ihren Gottesdiensten schon gesungen haben.

1392 war Amplonius nach Erfurt gekommen und hatte sich als einer der ersten Studenten an der noch ganz neuen Universität eingeschrieben. Später wurde er hier Doktor der Medizin. Seine prächtige Büchersammlung, die „Bibliotheca Amploniana“, vermachte er 1412 dem Collegium Porta Coeli in Erfurt, das der Versorgung und Förderung von Studenten der Universität dienen sollte. Sie gilt, so eine Sprecherin der Erfurter Alma mater, bis heute als „die größte beinahe geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines spätmittelalterlichen Gelehrten weltweit und zählt zu den bedeutendsten Handschriftensammlungen Deutschlands“. Heute befindet sie sich im Besitz der Universität Erfurt.

Die Handschriftensammlung mit zunächst über 600 Bänden hatte Amplonius wahrscheinlich in Köln gekauft. Vermischte gelehrte Schriften mit lateinischer und deutscher Sprache, teils mit medizinischen Anweisungen und Rezepten, aber auch mit theologischen und philosophischen Texten. Auf einem zuvor offenbar teils leeren Blatt findet sich das Weihnachtslied als „Lückenfüller“ in gleich dreifacher Ausführung, aufgeschrieben im Jahr 1394, also vor 630 Jahren. Die Melodie ist wahrscheinlich noch älter und wurde vermutlich schon im 11. Jahrhundert in Aachen gesungen. Thomas Bouillon, Mitarbeiter der Erfurter Universitätsbibliothek weiß, dass es aus dieser Zeit nur wenige musikalische Niederschriften gibt. Oft wurden mit ihnen einfach nur leer gebliebene Blätter aufgefüllt.

Aufgeschrieben wurde das alte Weihnachtslied schon damals für dreistimmigen Gesang, mit zwei Oberstimmen, die den Cantus Firmus der Unterstimme begleiten sollen. Es endet mit dem Kyrie-Ruf der Gemeinde und wurde auf deutsch und damit in der Sprache des Volkes gesungen.

Aufgeschrieben hat es wahrscheinlich der Kapellan der Aachener Katharinenkapelle Johann Barba, so vermutet der Althistoriker und ehemalige Präsident der Universität Erfurt, Kai Brodersen. Noch heute wird das Lied in der Weihnachtszeit in Gottesdiensten und Konzerten gesungen. Es ist sowohl im katholischen wie auch evangelischen Gesangbuch und zahlreichen Liedersammlungen enthalten – wenn auch in teils abgewandelter Melodie. Und es heißt den Gottessohn, den „lieve heirre“ – damals wie heute – mit Freude auf der Erde willkommen.

Sys willekomen, lieve heirre

Sys willekomen heirre Kerst,/
Sei willekommen, Herre Christ,/
want du onser alre heirre bis,/
weil du unser aller Herre bist,/
sys willekomen, lievre heirre,/
sei willekommen, lieber Herre,/
her in erdriche also schone:/
hier auf der Erde gar so schöne:/
Kirieleleys./
Kyrieleis.

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