»Ich muss mich bei euch entschuldigen«

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Nachricht aus dem All: Von der Internationalen Raumstation verschickte ESA-Astronaut Alexander Gerst am 19. Dezember via Twitter eine Botschaft an seine zukünftigen Enkel:

Liebe Enkelkinder, ihr seid noch nicht auf der Welt und ich weiß noch nicht, ob ich euch jemals treffen werde, deshalb hab ich beschlossen, euch diese Nachricht hier aufzuzeichnen. Ich befinde mich gerade auf der Internationalen Raumstation im Cupola Aussichtsmodul und schaue auf euren wunderschönen Planeten runter. Und obwohl ich bis jetzt schon fast ein Jahr im All verbracht habe und an jedem einzelnen Tag da runter geschaut habe, kann ich mich einfach nicht daran satt sehen.
Ich weiß, es hört sich für euch vermutlich komisch an, aber zu der Zeit, als die ISS gebaut wurde und hier oben im Orbit war, konnte noch nicht jeder Mensch in den Weltraum reisen und die Erde von außen sehen. Vor mir waren es gerade mal um die 500 Menschen. Und im Moment leben da unten 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Und nur drei einzelne davon leben im Weltraum.
Und wenn ich so auf den Planeten runterschaue, dann denke ich, dass ich mich bei euch wohl leider entschuldigen muss. Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, euch den Planeten nicht gerade im besten Zustand hinterlassen werden.
Im Nachhinein sagen natürlich immer viele Leute, sie hätten davon nichts gewusst, aber in Wirklichkeit ist es uns Menschen schon sehr klar, dass wir im Moment den Planeten mit Kohlendioxid verpesten, dass wir das Klima zum Kippen bringen, dass wir Wälder roden, dass wir die Meere mit Müll verschmutzen, dass wir die limitierten Ressourcen viel zu schnell verbrauchen und dass wir zum Großteil sinnlose Kriege führen.
Und jeder von uns muss sich da natürlich an die eigene Nase fassen und sich überlegen, wohin das gerade führt. Ich hoffe sehr für euch, dass wir noch die Kurve kriegen und ein paar Dinge verbessern können und ich würde mir wünschen, dass wir nicht bei euch als die Generation in Erinnerung bleiben, die eure Lebensgrundlage egoistisch und rücksichtslos zerstört hat.
Ich bin mir sicher, dass ihr die Dinge inzwischen sehr viel besser versteht als meine Generation, und wer weiß, vielleicht lernen wir ja auch noch was dazu. Dass ein Blick von außen immer hilft. Dass dieses zerbrechliche Raumschiff Erde sehr viel kleiner ist, als die allermeisten Menschen sich das vorstellen können. Wie zerbrechlich seine Biosphäre ist und wie limitiert seine Ressourcen.
Dass es sich lohnt, mit seinen Nachbarn gut auszukommen. Dass Träume wertvoller sind als Geld. Und dass man ihnen eine Chance geben muss. Dass Jungen und Mädchen Dinge genauso gut können, aber dass doch jeder von euch eine Sache hat, die er besser kann als alle anderen.
Dass die einfachen Erklärungen oft die falschen sind und dass die eigene Sichtweise immer unvollständig ist. Dass die Zukunft wichtiger ist als die Vergangenheit und dass man niemals ganz erwachsen werden soll. Dass Gelegenheiten immer nur einmal kommen. Und dass man für Dinge, die es wert sind, auch mal ein Risiko eingehen muss. Dass ein Tag , an dem man was Neues entdeckt hat, über seinen Horizont hinaus geschaut hat, ein guter Tag ist.
Ich wünschte mir, ich könnte durch eure Augen in die Zukunft schauen in eure Welt und wie ihr sie seht. Das geht leider nicht und deswegen ist das einzige, was mir bleibt, zu versuchen, eure Zukunft möglich zu machen. Und zwar die beste, die ich mir vorstellen kann.«

Tweet und Youtube-Video:
https://twitter.com/Astro_Alex

Autor:

Online-Redaktion

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