Wiedereintritt
"Ich habe gemerkt, dass das zu mir gehört"

Wiedereintrittsstelle in Berlin | Foto: kna-Bild
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Von Nina Schmedding (kna)

Offen sein und zuhören - das sei Teil seiner täglichen Arbeit, erzählt Stefan Hoffmann, Leiter der citypastoralen Einrichtung "Punctum" in der Innenstadt von Frankfurt am Main. Die katholische Kirche bietet hier eine Wiedereintrittstelle an - ein Versuch, über ein niedrigschwelliges Angebot den Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern wieder herzustellen: In Scharen kehren die Menschen seit Jahren der Kirche den Rücken.

Im vergangenen Jahr wurde bei beiden christlichen Kirchen ein neuer Rekord aufgestellt: Rund 520.000 Menschen traten aus der katholischen, 380.000 aus der evangelischen Kirche aus. Die Kirche verlassen kann man ohne jeden weiteren Kontakt mit dieser Institution: beim Standesamt, dem Einwohnermeldeamt oder dem Amtsgericht. Wer zurück will, muss sich an seinen Pfarrer wenden - oder an spezielle kirchliche Wiedereintrittstellen.

Die evangelische Kirche bietet bundesweit geschätzte rund 200 Wiedereintrittspunkte an. Bei den Katholiken gibt es deutlich weniger solcher Einrichtungen, neben Frankfurt etwa auch in Paderborn. Man kann auch erst einmal die Info-Hotline zum katholischen Wiedereintritt wählen: Unter der Telefonnummer 01801/301010 informieren Bistumsmitarbeiter aus Mainz und Speyer grundsätzlich über das Prozedere. So muss ein Formular ausgefüllt werden, das vom zuständigen Generalvikariat unterschrieben wird.

"Dass ich ausgetreten bin, heißt ja nicht, dass ich vom Glauben abgefallen bin" - Sätze wie diese hört Theologe Stefan Hoffmann oft. "Das eine muss nichts mit dem anderen zu haben", stellt er klar. Bei ihm im "Punctum" treten zwischen 12 und 20 Personen jährlich wieder ein, schätzt er, die meisten zwischen 30 und 40 Jahre alt. Und sie tun es aus ganz unterschiedlichen Gründen.

"Die einen kommen, weil sie Kinder bekommen und sich dann an eigene Ferienlager und den Reliunterricht erinnern. Sie stellen fest, dass sie etwas vermissen", sagt der katholische Theologe. Andere treten wieder ein, weil sie zum Beispiel gefragt wurden, ob sie ein Patenamt übernehmen und dafür Mitglied der Kirche sein müssen. "Ältere Leute wollen oft ihren Frieden mit der Kirche schließen. Sie sagen: "'Das hat mich geprägt, ich bin damit groß geworden. Das gehört zu mir dazu'", so Hoffmann.

Berührende Gespräche

Der Berliner Pallottinerpater Kalle Lenz ist einer von denen, die man zum Thema Wiedereintritt findet, wenn man unter www.katholisch-werden.de/wiedereintritt mittels Postleitzahlensuche nach Ansprechpartnern in der Nähe sucht. Lenz' Gemeinde liegt mitten in Neukölln. Drei bis vier Menschen treten bei ihm jährlich wieder ein, oft nicht aus seiner Gemeinde.

Lenz mag die Gespräche, die er mit den wieder interessierten Ex-Katholiken führt: "Das ist oft sehr berührend. Die Leute sind ehrlich. Manche vermissen die Gemeinschaft, andere die spirituelle Kraft." Wieder andere kämen, weil sie als Lehrer oder Sozialarbeiter bei einem kirchlichen Träger tätig sein wollten, wofür sie die Kirchenmitgliedschaft bräuchten.

Zwei Gespräche führt er mit den Kandidaten. Am Ende steht dann das Glaubensbekenntnis, das er gemeinsam mit den Wiedereintrittswilligen spricht. Die Beichte, die bei einem Wiedereintritt eigentlich verpflichtend vorgeschrieben sei, erwähne er nur "als Angebot".

Warum treten die Menschen aus? Das kann persönlicher Ärger sein, wenn etwa eine Beerdigung lieblos vonstatten ging, Wut über Missbrauchsfälle durch Priester oder den kirchlichen Umgang mit Homosexualität, zählt Lenz auf. Die katholischen Gemeinden schreiben alle an, die aus der Kirche ausgetreten sind und fragen nach den Gründen - auch wenn der Rücklauf in der Regel eher spärlich ist.

Lenz findet es gut, dass die evangelische Kirche die Wiedereintrittsstellen im großen Stil organisiert hat. "Das hat schon seinen Reiz", sagt er. Vor allem, weil viele durch die immer weniger werdenden Priester und Großpfarreien nicht direkt einen zuständigen Pfarrer fänden. Es könne passieren, dass eine solche Anfrage dann unbeantwortet verloren gehe - "ein befremdendes Erlebnis", so der Pater.

"Das dauert nur acht Minuten"

Für die evangelische Wiedereintrittsstelle in Hannovers Innenstadt ist Pastor Stephan Lackner zuständig. Damit das Angebot möglichst niedrigschwellig ist, wurde sie in der Buchhandlung direkt neben der Marktkirche eingerichtet. Wer hierhin kommt und sein Taufdatum weiß, muss nur ein Formular ausfüllen und schon ist er wieder Mitglied. "Das dauert nur acht Minuten", scherzt Lackner.

Man müsse sich nicht rechtfertigen und auch kein Glaubensbekenntnis sprechen, obwohl er natürlich zur Verfügung stehe, wenn der Wunsch danach aufkomme. "Neulich war einer da, der sagte: 'Ich will hier nicht so weg.'" Dann seien sie zusammen für den Segen in die Kirche nebenan gegangen.

Autor:

Katja Schmidtke

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