Nachgefragt
Hand aufs Herz: Hilft Beten wirklich?

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Das Gebet ist in vielen Religionen die zentrale Glaubenspraxis. Mit Gott sprechen, das fällt nicht schwer – wirft aber Fragen auf: Hört uns Gott und antwortet er? Über das Beten hat Karin Ilgenfritz mit der Wuppertaler Theologin Konstanze Kemnitzer gesprochen.
Wie ist das mit dem Beten – hilft es?
Konstanze Kemnitzer: Beten ist nie umsonst. Allerdings ist Beten keine Wunscherfüllung, keine Magie. Ich kann nicht davon ausgehen, dass ich Gott sage, was ich will, und dann geschieht genau das. Das wäre das, was im Neuen Testament als »Beten im Fleisch« bezeichnet wird. Das ist selbstbezogen. Wir können Gott zu gar nichts bringen. Nicht im Gebet, aber auch nicht durch tolle Gottesdienste oder sonst etwas.
Beten heißt, sich in den Lichtraum des Glauben zu stellen, in die Glaubensbotschaft: Du bist mein geliebtes Kind, komme, was wolle. Niemand kann uns aus der Hand Gottes reißen. Es geht darum, Frieden zu finden. Das gelingt dann, wenn wir loslassen können und sagen: Dein Wille geschehe. Ich verstehe deinen Willen oft nicht, aber du weißt den Weg für mich. Das ist evangelische Gebetspraxis, wenn wir von der Reformation her denken.
Also sollten wir keine Bitten vortragen?
Doch, weil es für uns wichtig ist. Aber nicht erwarten, dass es genauso kommt. Oft ändert sich durch das Beten etwas in uns. »Beten im Geist« heißt: Ich lasse zu, dass in mir etwas geschieht und ich mich von Gott verändern lasse, der größer ist als ich. Ich kann und darf konkret werden. Nochmal auf die Geschichte geblickt: Der Pietismus im 18. und 19. Jahrhundert hat Wert darauf gelegt, dass die Menschen nicht formelhaft und gedankenlos das Vaterunser oder andere Gebete herunterbeten. Sie wurden aufgefordert, ihr Herz Gott auszuschütten, ihm mit ihren Worten zu sagen, was sie beschäftigt. Es ging dabei darum, dass die Menschen sie selbst sein dürfen vor Gott und das sagen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Aber es endet auch wieder in dem Wissen: »Ich überblicke längst nicht alles, du weißt, was gut für mich und auch für andere ist.«
Wie betet man denn »richtig«?
Es gibt viele verschiedene Formen: Vorformulierte Gebete, der Klassiker ist das Vaterunser, da ist alles drin. Aber auch die Psalmen und Liedverse eignen sich. Wenn uns die Worte fehlen, sind sie eine tolle Möglichkeit. Dann gibt es das Tischgebet, das frei formulierte Gebet, Gebetsgemeinschaften, das kontemplative Gebet wie das Herzensgebet oder Körpergebete. Aber auch Schweigeminuten – etwa in politischen Kontexten. Wir dürfen alles probieren nach dem vom Apostel Paulus abgeleiteten Motto: Prüft alles, und das Gute behaltet.
Verändert sich das Gebet im Laufe des Lebens?
Die Art zu beten hat sicher auch etwas mit dem Alter zu tun. Aber auch damit, welche Gebete man kennenlernt und wie man aufwächst. In manchen Familien wird viel gebetet, auch frei. In anderen ist ein vorformuliertes Tisch- und Abendgebet üblich. Oft wird gar nicht mehr gebetet.
Manche Forscher vertreten die Meinung, dass dieses konkrete Beten typisch ist für Jugendliche. Und dass man mit dem Älterwerden zunehmend wortlos betet. Ich denke nicht in solchen vereinfachenden Alters-Klassifizierungen. Stattdessen antworte ich: Die Veränderungen der Gebets-praxis im Lauf des Lebens hängen von vielen Gegebenheiten in den persönlichen Lebensphasen ab. Besonders von der eigenen geistlichen Prägung, in der man aufwächst oder auch hineinwächst.
Beten wird als »Reden mit Gott« bezeichnet. Wie höre ich ihn denn?
Für Luther war klar, dass wir Gott im Gebet hören und zwar indem uns beim Beten Bibelverse in den Sinn kommen. Das setzt allerdings voraus, dass man sich in der Bibel auskennt. So eine Bibelfestigkeit wie Luther haben nur wenige Menschen.
Ich denke, jeder Mensch kann eine Antwort auf das eigene Gebet entdecken, vielleicht in Bibel- oder Liedversen, die wir uns eingeprägt haben. Aber auch, wenn wir erleben, dass sich unsere innere Haltung beim Beten verändert, dass wir ruhig werden, oder mutig, oder klar im Verstand. Oder wenn uns bestimmte Dinge in den Sinn kommen.
Das Gebet, je mehr wir es üben, kann zu einem inneren klärenden und stärkenden Gespräch werden, im Licht der Liebe, von der wir getragen sind. Was wir dabei erleben, bleibt ein Geschenk und Geheimnis – ganz persönlich für uns. "Es geht darum, Frieden zu finden. Das gelingt dann, wenn wir loslassen können und sagen: Dein Wille geschehe"
Autor:Online-Redaktion |
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