Wie die G+H entsteht
Ein Tag in der Redaktion

Foto: Paul-Philipp Braun
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Die »Goldene Korinthe« haben sie mir nicht verliehen. Glück gehabt. Ein Tag in der Redaktion »Glaube +  Heimat« hat mir gezeigt, dass das gute Miteinander und die professionelle Gelassenheit bei der Fertigstellung der aktuellen Ausgabe zusammengehören.

Von Esther Goldberg

Die »Goldene Korinthe« ist ein Spaß des Chefredakteurs und wird an die verliehen, die während der Überschriftenkonferenz allzu kleinlich herumnörgeln. Diesmal kandidierte der Magdeburger Kollege Oliver Gierens, weil er einen doppelten Bindestrich entdeckt hatte. »Manchmal verleihen wir diese Korinthe wirklich«, feixt Chefredakteur Willi Wild. Beinahe heiter und freundlich liest er den Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion und den aus Halle und Magdeburg Zugeschalteten alle Schlagzeilen, jede Bildunterschrift vor. Das machen sie immer so. Damit auch kleinste Fehler auffallen. Und tatsächlich: Einiges wird noch geändert.

Redaktionsmanagerin mit Durchblick

Nicht direkt am Tisch im Konferenzraum, aber am danebenstehenden Computer sitzt Ramona Schurig. Sie liest jede Zeile mit. Ohne sie würde manches weniger gut laufen. Jeden Tag schreibt sie sich für den nächsten Tag per Hand auf, was zu erledigen sein wird. Der Zettel ist immer bis zur letzten Zeile voll. Und damit Ramona Schurig bloß keine Zeit verliert, hat sie sich angewöhnt, mit der linken Hand die Computermaus zu bedienen. Obwohl sie keine Linkshänderin ist. »Wenn ich mit links arbeite, kann ich mit der rechten Hand das Telefon bedienen und auch etwas notieren«, sagt sie, leicht lächelnd.

Ramona Schurig | Foto: Paul-Philipp Braun

Nichts scheint ihr zu entgehen, meist bearbeitet sie zwei Dinge zeitgleich. Und sie platzt vor Stolz über diese Redaktion. Vier Chefredakteure hat sie schon erlebt. Sie ist ebenso wie Gerlint Buchwald – sie hat an diesem Tag frei – Redaktionsassistentin. Was für eine fade Stellenbeschreibung für diese energetische Frau.

Kuchen in der Fastenzeit

Das kann man sich nicht ausdenken: Die Hauptredaktion von »Glaube + Heimat« sitzt dort, wo es vor vielen Jahren ein Freudenhaus gab – in der Johann-Sebastian-Bach-Straße 1a unterm Dach. Und die Kolleginnen und Kollegen treffen sich zu ihrer ersten Konferenz des Tages genau in dem einstigen Kontaktbereich. Sie grinsen. Den Gag bekommen alle serviert, die das erste Mal hier in die Redaktion kommen. Die Stimmung ist an diesem Tag, der doch den Redaktionsschluss für die aktuelle Ausgabe bedeutet, angenehm und keinesfalls vom Stress dominiert. Kaum zu glauben, stimmt dennoch. Sie wissen, sie werden alles schaffen.

Auf dem Tisch steht ein Kuchen. Den kann essen, wer will. Kuchen in der Fastenzeit? Das ist nicht das Einzige, was mich erstaunt. Viel größer ist meine Verblüffung, als ich einen älteren Herrn hinter einem Blumenstrauß erblicke, der einen Proof (den Ausdruck einer Zeitungsseite) vor sich liegen hat und liest. Korrektur liest. Da riecht man förmlich die Druckerschwärze, so verschwinden vermeintliche Druckfehler, die handgemacht sind. Welch ein Segen. Andere Redaktionen in Thüringen leisten sich diese Notwendigkeit nicht. Leider.

Dr. Ulrich Placke, der emeritierte Pfarrer, kommt jede Woche in die Redaktion, die Letztkorrektur zu lesen. An diesem Dienstag aber wird er erst einmal überrascht. »Viel Glück und viel Segen« singen sie ihm, der am Vortag Geburtstag hatte. Dann aber will er schnell mit den Korrekturen beginnen. So, wie er das seit nunmehr fast sieben Jahren macht. Akribisch und in einem ganz stillen Raum. Nichts soll ihn ablenken.

Dr. Ulrich Placke | Foto: Paul-Philipp Braun

Schriftsetzer am Computer

In einem anderen Raum sitzen zwei Menschen vor vier Bildschirmen: Schriftsetzer Steffen Wolf (ja, diesen Beruf gab es in der Zeitungsbranche einst, als noch der Bleisatz ungesund und jederzeit zu erriechen war) und Mediengestalterin Johanna Ozou sorgen dafür, dass diese Wochenzeitung gut gestaltet wird. »Bei der Gestaltung haben wir das letzte Wort«, sagen die beiden. Ihre Schreibtische sind heftig gefüllt. Denn sie müssen (und wollen) auch andere Produkte gestalten, die Gemeindebriefe zum Beispiel. Und das Gemeindebrief- und Redaktionsportal. Mit dem Redaktionssystem Print Publishing System schafft »Glaube + Heimat« die Digitalisierung, weiß Chefredakteur Willi Wild.

Johanna Ozou | Foto: Paul-Philipp Braun

Ohne Digitalisierung würde die Redaktion, die seit nunmehr 100 Jahren besteht, nicht überleben können. Aber sie wollen auch nicht die traditionellen Leser vergraulen. Ihnen scheint der Spagat zu gelingen, Print weiter zu betreiben und dennoch den Weg ins Digitale durch den Erwartungsdschungel der Leser zu suchen und zu finden. »Vor Corona hätte ich nicht gedacht, dass es mit dem Printbereich so schnell abwärts gehen könnte«, erinnert sich Willi Wild. »Solange es aus Kostengründen darstellbar ist, dass wir eine gedruckte Zeitung herausgeben, wird es sie aber geben«, versichert er. Die traditionelle Zeitung hat eine riesige Reichweite: sie erscheint in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Teilen Sachsens sowie Brandenburgs. Und die Online-Version natürlich erst recht.

Steffen Wolf

Ideen im Stehen

Willi Wild hat einen Steh-Schreibtisch. Der Rücken setzt ihm zu. Mit diesem Schreibtisch tut er weniger weh. Zumeist jedenfalls. In Wilds Zimmer steht ein kleiner Luther. Ja, na klar. Dass er bei »Glaube + Heimat« arbeitet, ist eine glückliche Fügung. Im »Journalist «, das ist ein Fachblatt, suchte die Kirchenzeitung einen neuen Chefredakteur. Er bewirbt sich. Das Vorstellungsgespräch beginnt damit, dass er eine Blattkritik äußern soll. O je. Ernsthaft? Den Herausgeber, den Evangelischen Presseverband in Mitteldeutschland, möchte er nicht verärgern. Er sagt dennoch seine Meinung. Und ist seit 2015 Chefredakteur.

Willi Wild | Foto: Paul-Philipp Braun

Siebenmal ist er mittlerweile in Weimar umgezogen, fühlt sich pudelwohl hier und beschreibt sich als »ossimiliert«. Fürth ist halt seine Geburtsstadt. Beim MDR, wo er »Der Redakteur « war und Informationen nach Hörerwünschen heranholte, lernt er den Osten kennen. Jetzt schreibt er für Christen in Mitteldeutschland. Und hat hinreichend Energie und Ideen, dass seine Mitarbeitenden mitziehen.

Zugleich beschwört er die Gemeindebriefe. »Die Gemeindebriefe und die Zeitung sind Geschwister «, ist er überzeugt. Wie er das meint, lässt sich gut in dem von ihm und Reinhard Marwick herausgegebenen Buch »Evangelische Publizistik – wohin?« nachlesen, das jetzt erschienen ist.

Nur wenige feste Angestellte

Hier, wo so viel evangelische Publizistik stattfindet, arbeiten recht wenige Angestellte. Zu ihnen gehört Beatrix Heinrichs. Auf ihrem Schreibtisch liegt ein Apfel, daneben lockt die geöffnete Schokolade. Sie sitzt an der Seite »Aktuell«, das ist die Seite zwei. Jetzt werden noch die neuesten Nachrichten mitgenommen. Beispielsweise die Zahl der Woche, die diesmal erklärt, wie viele Projekte sich mit der Übersetzung der Bibel in Gebärdensprache beschäftigen. Und die Bildmeldung muss auch noch geschrieben werden.

Beatrix Heinrichs | Foto: Paul-Philipp Braun

Dennoch kommt kein sichtbarer Stress auf. »Wir sind nicht nur eine Arbeits-, sondern auch eine Glaubensgemeinschaft«, erklärt sie. Und sagt, dass sie alle hier doch die meiste Zeit des Tages verbringen. Da soll es bitte gut sein. Sie wissen viel voneinander. Weil sie sich vertrauen. »Selbst Corona haben wir hinbekommen«, sagt sie und meint damit, einander auch verbunden gewesen zu sein, als sie jede und jeder für sich in ihren Wohnungen hockten.

Prädikant und Journalist

André Poppowitsch teilt sich mit Beatrix Heinrichs das Büro. Auf seinem Schreibtisch liegt ein Relikt von vorgestern: Ein Bleistiftspitzer aus Metall, in den man einen Bleistift einsetzen und dann so lange kurbeln kann, bis die Spitze wieder gestochen spitz ist. Poppowitsch lacht. Das ist ein Erbstück, es gefällt ihm. Und hat mit seiner Arbeit als Journalist längst nichts mehr zu tun.

André Poppowitsch | Foto: Paul-Philipp Braun

Er ist der »Onliner« (meine-kirchenzeitung.de) und hält die Verbindung zu den Kirchengemeinden, damit die ihre Gemeindebriefe selbst bauen und bestücken können. Zudem ist er für die Seite 4verantwortlich, für »Glaube und Alltag«. Das bietet sich an. Er ist schließlich Prädikant, hält also im Ehrenamt Gottesdienste. Und irgendwann wird er auch die Zeit finden, das aus Georgien mitgebrachte Kreuz aus einer Weinrebe an die Wand zu bringen. Aber immer kommt anderes dazwischen.

Das Meditationsbild beispielsweise, das er noch finden möchte. Oder der Predigt-Text für die nächste Sonntagspredigt. Oder eine Anfrage für einen der 108 Gemeindebriefe. Hauptsache, das Kreuz ist erst einmal da. Es tut auch so seine Wirkung.

Widerspruch erwünscht

Mitten in den Redaktionsschluss hinein kommt eine Nachricht von einem Informanten. Willi Wild hält ein Schreiben in der Hand: »Wir haben hier noch eine Geschichte, bevor wir wieder an die Werkbänke gehen«, sagt er. Humor hat er. Doch das Thema ist ernst. Es geht um die Statistik der Forum-Studie. Bekanntlich heißt es, diese Zahlen seien nur die Spitze des Eisbergs, die Kirche habe gemauert. Nein, behauptet der Informant. Die Redaktion muss sich zwingend mit dem Widerspruch beschäftigen. Am besten schon in der darauffolgenden Woche. Auch eine Wochenzeitung darf nicht unaktuell sein.

Foto: Paul-Philipp Braun

Sicher wird es zu diesem Thema wieder ein Pro und Contra geben. Das bietet sich an. Und fordert auf diese Weise die Leser zu eigener Meinung auf. Über all den Alltäglichkeiten an diesem Dienstag, der halt den Redaktionsschluss bedeutet, schwebt das Leserfest am 14. April in Weimar. 100 Jahre »Glaube + Heimat«, das muss gefeiert werden. Groß gefeiert werden. Mit all denen, die darauf setzen, dass evangelische Publizistik einen besonderen Wert in der Medienwelt hat – Gott sei Dank.

Foto: Paul-Philipp Braun

Geliebte Werte

Hier, in der vierten Etage in der Bach-Straße 1a, direkt unter dem Dach, gibt es eine Redaktion, die wunderbar konservativ ist, im besten Wortsinn. Sie bewahren sich mit ihrer Hauptredaktion in Weimar, einer weiteren in Magdeburg und mit den freien Mitarbeitern Werte, um die sie zu beneiden sind. Miteinander. Füreinander. So einfach kann es sein.

Die »Goldene Korinthe« steht als Teil des Ganzen. Sie ist diesmal zum Redaktionsschluss nicht verliehen worden, auch wenn Oliver Gierens aus Magdeburg kurzzeitig Kandidat dafür war. Sie hat lediglich für ein Lächeln gesorgt. Aufgabe erfüllt.

Autor:

Online-Redaktion

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