DDR-Kirchenverluste # 7
Die Georgenkirche Berlin

Georgenkirche zu Berlin, Ansichtskarte um 1898 (gemeinfrei) | Foto: Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8709419
  • Georgenkirche zu Berlin, Ansichtskarte um 1898 (gemeinfrei)
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In der DDR wurden bis 1988 rund 60 Kirchen auf staatlichen Druck gesprengt. Die wohl bekannteste von ihnen war die Paulinerkirche Leipzig – auch Universitätskirche St. Pauli genannt – im Jahr 1968. Die Serie erinnert an verlorene Sakralbauten in Mitteldeutschland und darüber hinaus.

Wo in Berlins Mitte heute Großstadtverkehr rollt, stand vor mehr als sieben Jahrzehnten eine prachtvolle Kirche: Wo sich die Karl-Marx-Allee und die Otto-Braun-Straße nördlich vom Alexanderplatz kreuzen – direkt vorm heutigen Haus des Reisens –, kratzte damals der beeindruckende Haupt-Kirchturm der St. Georgenkirche am Himmel.

Die Georgenkirche war ein evangelisches Gotteshaus in der Georgenvorstadt im Ortsteil Mitte von Berlin. Es wurde – wie viele andere Gotteshäuser im Ostteil Berlins, die im Zweiten Weltkrieg beschädigt worden waren – nicht wieder aufgebaut, sondern 1949 gesprengt. Der Kirchturm der Georgenkirche war 105 Meter hoch – und damit nach der alten Kuppel des Berliner Doms (114 Meter) die Höhendominante im historischen Berlin.

Geschichte
Im Jahr 1278 wurde – damals weit vor den Toren Berlins errichtet – ein Georgenhospital urkundlich erwähnt, in dem Arme und Kranke Hilfe fanden. Im Jahr 1331 wurde eine dazugehörige Kapelle genannt. Mit dem Anwachsen der Einwohnerzahl in der Umgebung vor Berlins Stadtbefestigung auf 600–700 Familien wurde die Kapelle des Hospitals 1689 zur Pfarrkirche der Georgenvorstadt und bekam einen eigenen Pfarrer.

Von 1779 bis 1780 wurde das Kirchenschiff von August Gotthilf Naumann zu einer Saalkirche verbreitert und verlängert, wobei der alte Kirchturm stehen blieb. Die Finanzierung eines Kirchenneubaus gelang mit einer Spendensammel-Aktion, die großes Echo fand. So ist überliefert, dass Berlins Glaser-Innung die Kirchenfenster stiftete.

Am 29. Oktober 1780 war es soweit: Der Neubau der Georgenkirche wurde eingeweiht, wobei der Pfarrer die zahlreichen Spender in seiner Predigt besonders bedachte. So soll besonders den Glasern „himmlischer Dank“ versprochen worden sein. Wenig später gingen bei einem ungeheuren Unwetter über Berlin Tausende Fensterscheiben zu Bruch – und die Glaser hatten volle Auftragsbücher und gutes Einkommen.

1894 wurde der Bau einer neuen Kirche beschlossen. Sie entstand nach Plänen und unter Leitung des Architekten Johannes Otzen, der als Referenzen die Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg (1888) und die Lutherkirche in Schöneberg (1894) vorweisen konnte. Vollendet wurde der Sakralbau im Jahr 1898. Farbenprächtige Glasmosaiken mit Ornamenten und Symbolen des Christentums sowie Darstellungen der zwölf Apostel – erschaffen von der Firma Puhl & Wagner – schmückten die Wände des fünfteiligen Chores.

Zweiter Weltkrieg und danach
Die Georgenkirche wurde im Zweiten Weltkrieg bei alliierten Luftangriffen schwer beschädigt, der Kirchturm war nur wenig versehrt. Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg plante die Sicherung der beschädigten Kirche und beantragte die dafür erforderliche Genehmigung. Jedoch verwehrte ihr Ost-Berlins Magistrat in der Sowjetischen Besatzungszone diese Genehmigung – und forcierte die Sprengung der beschädigten Kirche.

Daraufhin reichten die Kirchenleute Klage ein am Landgericht und am Kammergericht im Ostsektor von Berlin auf eine einstweilige Verfügung gegen die Sprengung – diese wurde abgelehnt. So wurde die Georgenkirche am 18. Juni 1949 auf politischen Druck gesprengt – 51 Jahre nach Fertigstellung des dritten Bauwerks.

Jüngere Vergangenheit und Gegenwart
Zwischen 2012 und 2015 recherchierte die Forschungsgruppe „Verlorene Gotteshäuser in der Berliner Mitte“ im Bürgerverein Luisenstadt die Geschichte jener verlorenen Kirchen im Stadtzentrum. Ergebnis war die Ausstellung „St. Nirgendwo! Verlorene Gotteshäuser in der Berliner Mitte“: Sie dokumentierte die mehr als zwei Dutzend verlorenen Kirchen und Synagogen.

Die Fundamente der Kirche und ihrer Vorgängerbauten befinden sich noch im Boden: Der Georgenkirchplatz, auf dem die Georgenkirche stand, war einst der Georgenfriedhof nordöstlich vom Alexanderplatz. Der Platz musste der Neubebauung des Stadtzentrums weichen.

An das evangelische Gotteshaus erinnert lediglich die stark verkürzte Georgenkirchstraße. An deren Ende am Volkspark Friedrichshain stehen die St.-Bartholomäus-Kirche und das Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Lausitz.

Koordinaten: 52° 31′ 20,7″ N, 13° 24′ 59,2″ O

Quelle: 
https://de.wikipedia.org/wiki/Georgenkirche_(Berlin-Mitte)

Autor:

Holger Zürch

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