Erinnert
Benedikt und die Ökumene

Als Benedikt XVI. am 23. September 2011 bei seiner Deutschlandreise Erfurt besuchte, waren die Erwartungen hoch. Im Augustinerkloster sprach er mit Vertretern der evangelischen Kirchen, unter anderem dem damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider (l.) und der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt (r.), die damals der EKD-Synode als Präses vorstand. | Foto: epd-bild/Norbert Neetz
  • Als Benedikt XVI. am 23. September 2011 bei seiner Deutschlandreise Erfurt besuchte, waren die Erwartungen hoch. Im Augustinerkloster sprach er mit Vertretern der evangelischen Kirchen, unter anderem dem damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider (l.) und der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt (r.), die damals der EKD-Synode als Präses vorstand.
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Als Benedikt XVI. am 22. September 2011 zum dritten Mal nach Deutschland kam, war kaum zu ahnen, dass dies bis heute die letzte Reise eines Papstes nach Deutschland werden sollte.

Von Ludwig Ring-Eifel

Im Jahr danach reifte in ihm der Entschluss, das Papstamt niederzulegen. Ob die Deutschlandreise mit ihrer durchwachsenen Bilanz diese Entscheidung mit befördert hat, ist offen. Fest steht indes, dass es ihm damals nicht gelang, die nach der ersten Welle des Missbrauchsskandals ab 2010 bereits angeschlagene katholische Kirche in Deutschland zu einen und zu stärken.

Schon der Auftakt der viertägigen Reise in Berlin war geprägt von Polemiken und Missverständnissen. So blieben die meisten Abgeordneten der Linken und etliche der Grünen demonstrativ seiner Rede im Bundestag fern, weil sie die Trennung von Staat und Kirche dadurch bedroht sahen. Und dann erlebten ausgerechnet die Grünen, dass Benedikt XVI. ihre Rolle würdigte, weil sie die unverhandelbaren ökologischen Grenzen ins politische Bewusstsein gerückt hatten.

Ein Heimspiel sollte Benedikt hingegen bei einem Gottesdienst im katholisch geprägten Thüringer Eichsfeld haben, wo fast 100 000 Menschen mit ihm beteten und ihm zujubelten. Doch ebenfalls in Thüringen, im Erfurter Augustinerkloster, in dem einst Martin Luther als katholischer Mönch seinen theologischen Weg begann, kam es dann wieder zu Missverständnissen und Kritik. Ein akribisch vorbereitetes Treffen mit Spitzenvertretern des deutschen Protestantismus hatten einige Medien zu einem Ereignis mit historischem Potenzial für die Überwindung der katholisch-evangelischen Kirchenspaltung hochgeschrieben. Es schien nicht ausgeschlossen, dass der deutsche Papst im Kloster Luthers etwas verkünden würde, was die Wiedergewinnung der durch Reformation und Glaubenskriege zerstörten Kirchengemeinschaft möglich machte.

Tatsächlich hatte der Papst eine grundlegende, positive Neubewertung von Luthers Theologie im Gepäck, die – wenn die kirchenpolitischen Erwartungen im Vorfeld nicht so hoch gewesen wären – wohl eine Sensation hätte werden können. So aber sah sich Benedikt XVI. genötigt, erst einmal die falschen Erwartungen aus dem Weg zu räumen.

Er tat dies mit dem fatalen Satz, dass er, anders als von manchen erwartet, kein "ökumenisches Gastgeschenk" mitbringe. Es sei ein "politisches Missverständnis des Glaubens", wenn man meine, Unterschiede zwischen den Konfessionen könnten Theologen ähnlich wie Diplomaten in der Politik durch Verhandeln und durch Kompromissformeln überwinden. Mit dieser Absage an eine von manchen erhoffte Annäherung zwischen der katholischen und den protestantischen Kirchen löste der Papst eine tiefe Enttäuschung aus.

Ähnlich schrill waren die Miss-töne, die danach die bislang letzte große Papstrede auf deutschem Boden auslöste. Im Konzerthaus in Freiburg warb der Papst für eine radikale "Entweltlichung" der Kirche. Nicht Geldmittel, Personalstärke und Strukturen seien entscheidend, sondern der Glaube, so der Kern seiner Botschaft. Vertreter katholischer Verbände kritisierten den Aufruf als Signal in die falsche Richtung. Die vom Papst herbeigesehnte positive Energie, die der Kirche aus einer Entweltlichung zuwachsen sollte, wurde kaum wahrgenommen.

(kna)
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