Magdeburg
Antijüdischer Hass bereitet Sorgen

- Inessa Myslitska
- Foto: Foto: Synagogengemeinde Magdeburg
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Inessa Myslitska ist seit Dezember neue Vorsitzende des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt und ist Vorstandsvorsitzende der Synagogen-Gemeinde Magdeburg. Oliver Gierens sprach mit ihr.
2023 konnte Ihre Gemeinde in Magdeburg die neue Synagoge eröffnen. Wie lebendig ist das Gemeindeleben?
Inessa Myslitska: Wir sind sehr glücklich, dass wir das neue Gotteshaus von unserer Landesregierung mit sehr großer Unterstützung unseres Fördervereins erhalten haben und für unsere religiösen und sozial-kulturellen Zwecke nutzen können. Es ist sehr schön zu sehen, wie die Menschen zu Gottesdiensten und zu verschiedenen Veranstaltungen kommen. Das Interesse der Menschen gegenüber unserer Religion ist sehr groß.
Auch in Dessau konnte 2023 eine neue Synagoge eröffnet werden. Sind das für Sie Hoffnungszeichen, dass jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt weitergeht?
Wir haben eine sehr große Hoffnung. Die beiden neuen Gotteshäuser bieten ganz neue Möglichkeiten als Begegnungsstätte. Für die Gemeinden in Magdeburg und Dessau ist das ein sehr großes Zeichen, dass sie Bestandteil dieses Landes sind, in religiöser, aber auch sozio-kultureller Hinsicht. Wir planen viele Veranstaltungen, unter anderem in diesem Jahr wieder die Jüdischen Kulturtage. Die Zukunft hängt natürlich von der jüngeren Generation ab. Es ist für uns sehr wichtig, dass jüngere Menschen mit ihrer jüdischen Identität aktiver Teil des Gemeindelebens sind.
Wie hat der Ukraine-Krieg die jüdischen Gemeinden verändert?
Ja, der Krieg hat das Leben der Gemeinden sehr verändert, weil sich viele Mitglieder von diesem Krieg betroffen fühlten, besonders jene, die aus der Ukraine stammen. Sie haben oftmals dort Verwandte und Bekannte. Für die Gemeinde ist das eine Situation, die wir bewältigen müssen. Nach Magdeburg sind etwa 20 Familien aus der Ukraine gekommen, das sind deutlich weniger als in den 1990er-Jahren. Wir haben ihnen direkt nach Beginn des Ukraine-Kriegs eine sehr intensive soziale Betreuung angeboten.
Auch der Terroranschlag der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 hat vieles verändert. Spüren Sie auch den zunehmenden Hass gegen Juden wegen des Gaza-Kriegs?
Dieses Ereignis hat unser Leben hier stark verändert. Wir mussten neu mit diesem Schmerz und dieser Verzweiflung leben. Nach einer großen Solidaritätswelle mit uns und Israel hat sich mittlerweile die Täter-Opfer-Rolle umgekehrt. Und wir haben wieder verstanden: Genauso wie in den dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte sind wir als Juden angeblich wieder schuld. Zwar haben wir in Magdeburg nicht so eine starke Präsenz der Palästina-Bewegung wie in Berlin oder Frankfurt. Es sind eher die antiisraelischen Meinungen und die Stimmungen, etwa an den Universitäten, die uns Sorgen machen.
Welche Hasskriminalität haben Sie erlebt?
Als vor einigen Jahren die Beschneidungsdebatte öffentlich geführt wurde, haben wir sehr viele beleidigende Briefe erhalten, aber keine offene Hasskriminalität erlebt. Dennoch haben sich Vorfälle in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr verdreifacht. Auf dem jüdischen Friedhof in Dessau wurden mehrere Fälle von rechtsextremen Schmierereien, zum Beispiel Hakenkreuze, und Beschimpfungen in arabischer Sprache festgestellt. Auf dem Friedhof in Haldensleben wurden die Bronzetafeln gestohlen. Stolpersteine wurden landesweit an mehreren Stellen entfernt oder beschädigt. Die Mesusa, eine Kapsel mit Gebetsrolle an der Wohnungstür unseres Rabbiners, wurde angezündet und damit entweiht. Wir erstatten die Anzeigen gegen unbekannt. Doch diese Unbekannten lassen sich nie finden und werden nicht bestraft. Das bereitet uns große Sorgen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie für Ihre Arbeit?
Wir haben unsere Struktur etwas geändert: Ich habe jetzt mit Rimma Fil als Geschäftsführerin eine sehr treue Mitstreiterin. Unsere Aufmerksamkeit wollen wir den Tagen jüdischer Kultur widmen. Wir wollen unser Netzwerk ausbauen und uns in der Öffentlichkeit stärker zeigen, um das Interesse der Menschen für unsere Kultur und Traditionen weiter zu steigern. Zudem wollen wir das interkulturelle und interreligiöse Gespräch ausbauen, damit wir mit Vertretern anderer religiöser und kultureller Kreise die Zukunft in unserem Land aufbauen können. Mit der Landesregierung sind wir im Gespräch, um den bestehenden Staatsvertrag zu verlängern.
Autor:Online-Redaktion |
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