Anmerkungen zur ökumenischen Morgenandacht beim CDU-Bundesparteitag in Leipzig
Verpasste Chance

Foto:  epd-bild / Jens Schlüter

Wann werden schon mal Teilnehmer eines Bundesparteitags der (noch) führenden Volkspartei mit dem C im Namen zu einer ökumenischen Morgenandacht eingeladen? Ihr Parteitag fand in Leipzig statt; dafür bot sich die Nikolaikirche an, ihn unter dem Motto einzuläuten: „Glauben(d) Leben oder Glauben wagen – glaubhaft sein“.
In den Textbeiträgen wurde die historische Bedeutung der Kirche für die Friedliche Revolution ausführlich gewürdigt. Aber hätten nicht die gläubigen Parteimitglieder ein bisschen konkreter auf ihre Sachthemen und Debatten eingestimmt werden können?
Was Jesus über die Kinder sagt und über die Erwachsenen, die nicht zu Gott finden, wenn sie nicht die Sichtweise der Kinder einnähmen – diese Textlesung aus Matthäus 18 wäre dazu eine Steilvorlage gewesen: Die Kinder demonstrieren an den Freitagen für die Zukunft und waren auch an diesem Freitagmorgen auf der Straße. Vor der Kirche zeigten sie ein geklautes C und Plakate mit Papstzitaten – Forderungen zur notwendigen Klimapolitik, die deutlich konkreter waren als die moderaten Fürbitten im Gotteshaus.
Und welche Aufmerksamkeit hätte zum Beispiel der zeitgenössische Text zu einem der beiden gesungenen Lieder erregt: „Großer Gott, wir loben dich!“ Gerhard Schöne dichtete 1990 in „Sanfter Gott, wir loben dich“ z. B.: „Jets und Panzer geh’n entzwei / vor dir schweigt das Kriegsgeschrei …“ Hätte da nicht so mancher schlucken müssen, der für Waffenexporte mitverantwortlich ist, die Militärausgaben erhöhen will, die Aufrüstung propagiert, der Logik der Stärke huldigt, behauptet, dass Deutschland wieder mächtiger werden müsse?
Schönes Text behauptet das Gegenteil: „Unser Stolz und unsre Pracht / geh’n vorüber über Nacht.“ Weniger allerdings der über 200 Jahre alte Originaltext von Ignatz Franz, in dem der Cherubim und die Seraphinen dem Herrn der Himmelsheere „Heilig, heilig, heilig!“ zurufen. Das ist weniger verständlich, unverfänglicher und politisch unverbindlicher.
Doch Politik hält man aus der Kirche raus, weitestgehend, und wohl besonders vor christlich-demokratischen Parteitagen.
Christoph Kuhn

Autor:

Online-Redaktion

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