Gottesdienst als Hotspot
Genaue Richtlinien fehlten in autark agierenden Gemeinden

Der Ausbruch von Covid-19 in gleich zwei russlanddeutschen Aussiedlergemeinden sorgte in den vergangenen Wochen für Aufsehen: In der Gemeinde der „Evangeliums Christen Baptisten Gemeinde“ in Frankfurt a. M. wurden offenbar Mindestabstände nicht eingehalten, zudem wurde im Gottesdienst gesungen. In einer Gemeinde in Bremerhaven waren es nach Einschätzung der Stadtverwaltung vor allem enge familiäre und soziale Kontakte, die zu zahlreichen Erkrankungen führten. Zusammengenommen wurden in beiden Gemeinden so mehr als 150 Personen mit dem Coronavirus infiziert.

Das wirft ein Schlaglicht auf ein Problem vieler Bundesländer: Die staatlichen Verordnungen regeln, was die Durchführung religiöser Veranstaltungen betrifft, oftmals nur das Nötigste. So schreibt etwa die Landesverordnung von Sachsen-Anhalt vor, dass zwischen den Teilnehmern eines Gottesdienstes ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu herrschen hat, Anwesenheitslisten geführt und Teilnehmer auf weitere Schutzmaßnahmen aufmerksam gemacht werden müssten. Die Entscheidung, dass in Gottesdiensten auf Singen verzichtet wird, hat die EKM dagegen selbstständig getroffen – so wie sich alle Landeskirchen nach Gesprächen mit den jeweiligen Landesregierungen und der Bundesregierung selbst wohlüberlegte und durchdachte Infektionsschutzkonzepte gegeben haben.

Die russlanddeutschen Aussiedlergemeinden mit ihren erkrankten Besuchern gehören weder einer Landeskirche noch einer etablierten Freikirche an. „Die genannte Gemeinde steht weder organisatorisch noch inhaltlich in einer Verbindung zu unserer Kirchengemeinde am Tiergarten oder dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland“, schreibt etwa die die EFG Frankfurt am Main auf ihrer Internetseite. Die Konsequenz daraus: Für die Gottesdienste der betroffenen Gemeinden gilt nur das, was in den Verordnungen der Bundesländer rechtlich festgelegt ist.

Zumindest im Land Berlin haben die Ereignisse zu einer Änderung der Eindämmungsverordnung geführt: Während die erlaubte Teilnehmerzahl von Gottesdiensten ab dem 16. Juni – bei Wahrung der Abstandsregeln – in Berlin unbegrenzt sein sollte, wird in der neuesten Auflage der Verordnung explizit festgehalten, dass Körperkontakt streng zu vermeiden ist, in Gottesdiensten keine Gegenstände herumgereicht werden dürfen und „das Chorsingen, der Gemeindegesang und das Spielen von Blasinstrumenten“ untersagt sind. Denn auch in Berlin gibt es zahlreiche Gemeinden, die keiner großen Kirche oder Freikirche angehören.
Benjamin Lassiwe

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Benjamin Lassiwe

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