Aufarbeitung
Fall Null: Bericht zu sexuellem Missbrauch in erzgebirgischer Kirchgemeinde

Landesbischof Tobias Bilz
 | Foto: epd-bild/Matthias Rietschel
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Pobershau/Dresden (epd) - Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz will sich für eine intensive Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt einsetzen. In der Kirche brauche es auch „eine reflektierte Auseinandersetzung mit Schuld und Vergebung“, sagte Bilz. Aufarbeitung sei mühevoll. Die Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens werde sich diesem Prozess und den damit verbundenen Herausforderungen stellen.

Bilz betonte: „Ich setze mich persönlich dafür ein, dass die Landeskirche sich den drei Bereichen Prävention, Intervention und Aufarbeitung intensiv widmet und diese stärkt.“ Der Bischof reagierte auf den Abschlussbericht der unabhängigen Aufarbeitungskommission im Fall der Kirchgemeinde Kühnhaide-Pobershau im Erzgebirge, der am Dienstagabend in der Kirchgemeinde vorgestellt wurde. Betroffene hatten 2018 vor Ort von Fällen sexualisierter Gewalt aus den 1990-er Jahren berichtet. Die sächsische Landeskirche hatte die Übergriffe im April 2019 als Reaktion auf einen Medienbericht öffentlich gemacht.

Ein inzwischen suspendierter und damals ehrenamtlich tätiger Kantor soll sich Kindern und Jugendlichen sexuell genähert haben. Der Kommission wurden drei direkt Betroffene bekannt, sie geht von weiteren Betroffenen aus.

Die Aufarbeitung in der Landeskirche steht erst am Anfang. Kommissionsmitglied Christiane Hentschker-Bringt bezeichnete Pobershau als den „Fall Null“. Der vorgelegte Bericht sei wegweisend, die Landeskirche werde sich daran orientieren.

Der angestoßene Aufarbeitungsprozess habe die Kirchgemeinde Pobershau tief gespalten, sagte die Sozialpädagogin. Es gebe quasi zwei Lager. Der mutmaßliche Täter sei im Ort hoch angesehen gewesen. Das Thema sei mit viel Tabuisierung verbunden.

Laut Bericht hat der Beschuldigte „weder proaktiv noch umfassend von sich aus zur Aufklärung beigetragen“. Bis heute habe er weder strafbare Handlungen eingeräumt noch Verantwortung übernommen. Stattdessen gebe es zahlreiche Aussagen, in denen er von ihm mutmaßlich verübte Taten bagatellisiere.
In einer Erklärung bekennt sich der Kirchenvorstand der Ortsgemeinde zu seiner Verantwortung: „Wir verstehen den Abschlussbericht nicht als Endpunkt der Aufarbeitung“, heißt es darin. Vielmehr habe die Arbeit der Kommission die Basis für den weiteren Weg im Umgang mit sexualisierter Gewalt gelegt.
Dieses Thema werde Teil der Gemeinde, aber auch der gesamten Kirche bleiben, hieß es. Die Erklärung sei eine „klare Absage an Wünsche, es möge doch nun einmal wieder gut damit sein“. Kommissionsmitglied Gregor Mennicken forderte die Landeskirche auf, das Thema Aufarbeitung proaktiv voranzutreiben und nicht zu warten, bis sich Betroffene melden.

Die Kommission empfiehlt, das Missbrauchsthema offen zu behandeln und es als einen Teil kirchlicher und gesellschaftlicher Realität wahrzunehmen. Eines müsse zudem klar sein: „Man kann dieses Thema nicht nebenbei machen“, sagte Hentschker-Bringt. Das gelte für die Kirchen und auch für das Land Sachsen.

Autor:

Katja Schmidtke

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