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An der Schwelle

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Sie haben einander untergehakt, bilden eine geschlossene Mauer, als würden sie auf den Elfmeter-Schuss warten.

Von Beatrix Heinrichs

Ein Bild vom Samstagabend. Als beim EM-Spiel zwischen Dänemark und Finnland der dänische Spieler Christian Eriksen nach seinem Zusammenbruch erstversorgt wird, steht seine Mannschaft hinter ihm – oder besser vor ihm. Um ihn abzuschirmen vor den Blicken der Zuschauer, während die UEFA-Regie weiter draufhält. – Und wir?

Wir schauen zu: schockiert, betroffen und vielleicht beschämt, denn wegsehen können wir genauso wenig. Es ist die gleiche Seh-Sucht, die uns durch den Neuigkeitenstrom in den Sozialen Netzwerken treibt. Oder die uns auf Youtube hält, wo Philipp Mickenbecker vor seinem Tod über seine Krebserkankung sprach und über seinen Glauben – während er das Pflaster von seiner Brust entfernte und die offene Wunde in die Kamera zeigte. Wir sehen hin, auf Youtube, Facebook, Twitter – und scrollen dem eigenen Voyeurismus entgegen.

Hört sich nach einer eindeutigen menschlichen Verfehlung an. Aber ganz so einfach ist es nicht. "Du bist ein Gott, der mich sieht", heißt es im 1. Buch Mose. Sehen oder vielmehr hinsehen ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Es ist die Grundvoraussetzung für Nähe. Sehen macht Einfühlen überhaupt erst möglich. Das Problem ist eher, es über das Sehen hinaus zu schaffen. Was nützt das Erkennen, wenn nichts daraus folgt?

Betroffenheit lähmt und macht stumm. Dabei braucht es nur Mut, der zeigt: Ich sehe dich. Siehe Samstag: Als Eriksens Lebensgefährtin Sabrina Kvist Jensen auf das Spielfeld läuft, hält sie Kapitän Simon Kjaer zurück – und nimmt sie in den Arm: "Darum tröstet euch untereinander und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut." (1. Thess 5,11)

Autor:

Beatrix Heinrichs

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