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Der dumpfe Nachklang

Wenn die Festwoche zu 300 Jahren Glockenguss in Apolda eingeläutet wird, können die Beteiligten zu Recht an eine großartige Tradition und weltweite Wirkung erinnern.

Von Jochen Birkenmeier

Bei aller Jubiläumsstimmung sollte nicht vergessen werden, dass die reiche Glockengeschichte der Stadt auch ein unrühmliches Kapitel hat: Die beiden „Nazi-Glocken“, die in der Sonderausstellung des Lutherhauses zu sehen sind, wurden ebenso bei der Firma „Franz Schilling Söhne“ in Apolda gegossen wie die Glockenspiele der NS-Ordensburgen Krössinsee und Sonthofen, in denen die Führungselite des „Tausendjährigen Reichs“ ausgebildet wurde.

Es ist zutiefst menschlich, über Unangenehmes schweigen zu wollen. Doch die Sünden der Vergangenheit verdrängen, vertuschen und verheimlichen zu wollen, ist nicht sinnvoll – und das aus mehreren Gründen:

Zunächst „ist nichts verborgen, das nicht offenbar werden soll, und es ist nichts geheim, das nicht an den Tag kommen soll“ (Markus 4, Vers 22). Deshalb ist der öffentliche Schaden, wenn irgendwann doch alles herauskommt, viel größer als bei einem aufrichtigen Eingeständnis eigener Versäumnisse.

Schwerwiegender aber ist, dass jedes Schweigen eine ehrliche Diskussion über die Hintergründe verhindert, Gerüchte schürt und ein Lernen aus vergangenen Fehlern unmöglich macht. Denn so unbequem es auch sein mag: Man wird eine Verantwortung nicht los, indem man sie leugnet.

Den Verantwortlichen in Apolda sei deshalb gewünscht, dass sie den Mut und die Größe aufbringen, auch über die dunklen Seiten ihrer bedeutenden Geschichte zu sprechen – nicht zuletzt, um wirklich unbeschwert feiern zu können.

Der Autor ist Historiker und Direktor des Lutherhauses Eisenach.

Weitere Artikel: 
"Wo der Klang zu Hause ist"
"Glocken für Hitler"

Autor:

Online-Redaktion

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