Sprengel Erfurt - Feuilleton

Beiträge zur Rubrik Feuilleton

Baumsachen
Eine "Gewöhnliche Robinie" und keine "Gleditsia triacanthos"

Meine Frau fand eines Tages in unserer Tageszeitung das Foto von einer Japanischen Kirsche in voller Blüte, und das weckte in ihr den Wunsch, wieder einmal den Botanischen Garten in Jena aufzusuchen. Wenn eine solches Ansinnen auf den Tisch kommt, dann habe ich es mir angewöhnt, dieses möglichst bald zu befriedigen. Denn sonst kommt es jeden zweiten Tag wieder auf den Tisch nach dem Motto: "Steter Tropfen höhlt den Stein." Wir stiegen also in unseren PKW, fuhren von Weimar nach Jena, fanden...

Thomas Müntzer
Bauernkrieg

Thomas - armer Thomas … Es gehört zu den erstaunlichen Nachwirkungen der Reformation, dass sie bis heute ihren eigenen Irrläufer verklärt: Thomas Müntzer, der taumelnde Radikalprediger, ein Mann, der seine Stimme mehr erhob als sein Denken. Gegenwärtig herrscht in manchen kirchlichen Milieus ein Münzer-Rausch, als sei er der eigentliche Prophet, der Luther den Schneid abgekauft habe. Doch was dieser „Theologe“ – wenn man ihn denn überhaupt so nennen will – im frühen 16. Jahrhundert aufbot, war...

Orgeltag
Stummfilm, Uraufführung, Orgelmaus

Zum Deutschen Orgeltag am kommenden Sonntag (14. September) sind innerhalb der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) Orgeln zu besichtigen, es finden Konzerte, Führungen, Aktionen und Kinder-Programme statt. Der Orgeltag ist integriert in den „Tag des offenen Denkmals“. In der EKM gibt es mit etwa 4.000 Orgeln zwanzig Prozent der evangelischen Orgeln beziehungsweise acht Prozent aller Orgeln in Deutschland. Viele Instrumente wurden aufwändig restauriert, allerdings besteht auch noch...

Filmempfehlung
AUTOMATA / THE MACHINE

Maria ex Machina. Heilsgeschichte im Spiegel zweier Filme 1. Zwei Visonen der Maschine Der Science Fiction AUTOMATA (2014) entwirft eine Welt nach der ökologischen Katastrophe. Die Menschheit vegetiert in den letzten Zügen vor sich hin, und Roboter übernehmen Aufgaben des Überlebens. Doch diese Automaten beginnen, die ihnen eingravierten Protokolle zu überschreiten: sie reparieren sich selbst, sie entwickeln Eigenwillen. Der Versicherungsinspektor Jacq Vaucan entdeckt, dass er es mit Wesen zu...

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Gold und Silber hätt‘ ich gern
könnt es gut gebrauchen

„Gold und Silber hab ich nicht.“ In der Mitte des Wunders steht dieser Satz. Warum erwähnt Petrus die beiden Metalle? Silber und Gold sind Symbole der kosmischen Ordnung: Gold als Metall der Sonne, rein, unveränderlich, strahlend; Silber als Metall des Mondes, wandelbar, spiegelnd. In der Alchemie bedeutete Gold die Vollendung - und Silber die vorbereitende Reinigung. Mit anderen Worten: Petrus sagt: „Ich habe keine Münzen, mit denen ihr euer Dasein verwaltet. Ich habe etwas, das über Sonne und...

Müntzer-Oratorium
Uraufführung mit Amboss, Zink und Barockharfe

Die Uraufführung des Oratoriums „Das Innere Wort“ wird am 14. September um 18 Uhr in der traditionsreichen Bachkirche Divi Blasii Mühlhausen gefeiert. Das Werk von Keno Hankel (Komposition) und Andreas Hillger (Libretto) entstand im Rahmen des Müntzer-Gedenkjahres als Auftragswerk des Kirchenkreises Mühlhausen unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor (KMD) Oliver Stechbart. Die Aufführenden sind der Bachchor Mühlhausen, vier Solistinnen und Solisten sowie das Projekt-Orchester „Thüringen...

1. September Engelbert Humperdinck
Hänsel & Gretel

Warum heute dieses Thema? Weil am 1.September im Jahr 1854 Engelbert Humperdinck geboren wurde – jener Komponist, welcher mit seiner Oper Hänsel und Gretel ein Märchen vertonte, das weit über Kinderspiel hinausweist. Es ist ein erstaunliches Paradox: Die stärksten Märchen des Abendlandes sind Kindererzählungen, die in Wahrheit nichts anderes sind als Verdichtungen der dunkelsten Konflikte des Erwachsenseins. Hänsel und Gretel zeigt dies exemplarisch. Was die Kinder erleben, ist nicht bloß eine...

Bericht aus dem Nikodemusevangelium
31. August - Tag des Nikodemus

Ja - es gibt tatsächlich auch noch ein sogenanntes Nikodemus-Evangelium (NE), das in seiner ältesten Gestalt aus dem vierten Jahrhundert stammen soll, und Traditionen sammelt, die in dieser Zeit wohl allgemein in Umlauf waren. Das NE enthält also auch einen ausführlichen Bericht von der descensus ad inferos, der „Höllenfahrt Christi“. Dieses sonderbare Evangelium, das dem in Joh 3,1-21 genannten Nikodemus – einem Anhänger Jesu – zugeschrieben wird, gehört nicht zu den verbindlich gewordenen...

Komiko-Theologie
zum 70. Geburtstag Helge Schneiders

Es gehört zu den paradoxen Leistungen deutscher Post-Nachkriegskultur, dass ausgerechnet dieser Jazzmusiker und Komiker eine kleine Ersatz-Theologie für das religionsmüde Spätbürgertum entwirft. In seiner großartigen Nummer „Der liebe Gott“ aus dem Album „Akopalüze Nau“ lässt Helge Schneider das alte Weltenschöpferwesen nicht in himmlischer Majestät auftreten, sondern in einer Wohnung mit zu flachem Dach sitzen -  deshalb schlechter Antennenempfang - vor überquellender Spüle. Gott vegetiert...

Tag der Enthauptung des Täufers
29. AUGUST - INGRID BERGMANN

Der 29. August gilt als Tag der Enthauptung Johannes des Täufers. Und man darf es wohl als eine jener strengen und fast unnatürlich stilisierten Fügungen betrachten, die das Leben selbst nur in seltenen Momenten hervorbringt und an wenige Auserwählte verteilt: Ingrid Bergman erblickte an diesem besonderen Tag das Licht der Welt und an einem 29. August verließ sie diese Welt auch wieder. Wie eine vollkommen komponierte Kadenz, wie eine mythische Schlusswendung, die nicht aus der Willkür...

28. August
Geburtstagsgruß und Trauerflor

Es ist bekannt, dass damals ein Naumburger Superintendent namens Wilhelm Horn die Bestattungsrede auf Friedrich Wilhelm Nietzsche gehalten hat, an jenem 28. August im Jahre 1900. Was wird dieser Geistliche verlautbart haben lassen? Wir wissen es nicht - irgendetwas in akademisch-protestantischem Ton wird es schon gewesen sein - mit christlich versöhnlichem Schlussakkord. Von Horn selbst ist biografisch nichts überliefert – jedoch bleibt sein Anteil an Nietzsches funeralem Abschied hoch zu...

Georg Friedrich Wilhelm Hegel (Teil 2)
Heimholungen

Heimholung des Glaubens und des Denkens Es gehört zu den elementaren Erfahrungen jedes einzelnenMenschen, dass der eigene Glaube nie eine stabile Größe ist, die einmal gewonnen, gleichsam als gesichertes Kapital aufbewahrt werden könnte. Der Glaube atmet. Er ist den Rhythmen des Körpers, den Stimmungen der Seele, den Schwankungen der Lebenslage ausgesetzt. Schon wenige Zehntelgrade Körpertemperatur genügen, um die Gewissheit der Nähe Gottes in einen flackernden Schatten zu verwandeln. Wer...

Georg Friedrich Wilhelm Hegel (Teil 1)
Losungszufälle

Die Religiosität Hegels – Versuch über väterliche Korrektur und dialektische Heimkehr Wir verdanken ihm sehr viel. Denn das heutige Geburtstagskind Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat die Religion nie als sentimentales Anästhetikum für sonntägliche Morgenstunden gedeutet, sondern als das große Bildungsdrama des Weltgeistes. Wenn er vom Christentum sprach, dann niemals als vom frommen Schmuck des Feieralltags, sondern als von der geschichtlich gewordenen Selbstoffenbarung des absoluten Geistes....

die letzten Augusttage ...
... Nest des Weltgeistes

Das Nest der letzten Augusttage ... Besondere Kalenderwochen. Es gibt sie. Als stille Depots menschlich besonderer Schicksale. Dort ist gut sein. Auch besonders die Zeit vom 25. bis 28. August ist gemeint. Hier bildete sich sozusagen ein Nest, in dem sich große Geister mit ihren Jubiläen zusammenkauern wie Vögel, welche vor dem herbstlichen Abflug gen Süden noch einmal sorgsam die Schwungfedern ordnen. Herder, Hegel, Goethe, Nietzsche – und, fast wie ein ironischer Nachsatz der Weltgeschichte,...

DAS ANDERE
PERLENLIED

Die Geschichte vom Jüngling und der Perle Es begab sich aber, dass ein Jüngling von hoher Begabung, ein Sohn aus gutem Hause und aus altem Geschlecht der Denker und Gelehrten, ausgesandt ward von seinen Vätern, nicht minder von der Mutter, die ihn nährte mit süßer Milch und strenger Rede, in die Welt der Zahlwerke und Rechenmaschinen, die Welt der großen Daten und der allbeherrschenden Intelligenzen künstlicher Natur. Denn es hatte sich unter den Seinen herumgesprochen, dass in eben dieser...

„Ich bin es nicht selbst – aber ich weiß davon“
Erwählung, Bewertung und die Würde des Dabeiseins

Die Frage nach dem Höchsten – sie begleitet uns seit der Zeit unserer ersten Kinderspiele und Turnstunden. Wer ist der Beste? Was ist das Schönste? Wer steht an der Spitze? In Märchen wie in Mythen ist diese Frage ein zentrales Motiv. Die böse Königin fragt den Spiegel nicht nach dem Guten und Wahren, sondern nach dem Höchsten in Form des Schönsten – und entzündet damit die Tragödie um Schneewittchen. Schon diese literarische Miniatur zeigt: Die Sehnsucht nach dem Höchsten ist nicht neutral,...

Dramolett
nach einer Idee von Gott

Das Boot – Eine Schulstunde … nach einer Idee von Gott Personen: • Der Denker • Die Mutter • Der Vater • Der Lehrer • Gott • Hermes ERSTER AUFTRITT (Ein Klassenzimmer. Holzbänke, ein schiefstehender Tisch, eine Tafel mit Kreideresten. Der Lehrer schlägt mit dem Lineal gegen die Tafel.) Lehrer: Ruhe da hinten! Heute, Kinder, geht es um das Leben. Ein Boot. Wir alle darin. Wer rudert, wer denkt, wer betet? Denker (lehnt träumerisch an der Bank): Ich denke … und schon schaukelt es. Mutter (mit...

die Kirche
und die Geisterbahn

Die Geschichte des Herrn Albinus Fahlberg Es war, als habe das Schicksal diesem Mann, dessen Name schon in sich etwas spröde Würdevolles, zugleich aber auch Verschroben-Komisches barg, den Weg ins Schaustellergewerbe vorgeschrieben, ohne ihn je gefragt zu haben, ob er diesen Weg auch wirklich wollte. Albinus Fahlberg, Sohn eines Kürschners aus Gotha, hatte nie den Sinn für die große Welt der Warenmärkte, aber früh eine unerklärliche Neigung zum Theater des Grotesken, zur Bühne des Schrecklichen...

Friedrich Wilhelm I.
Des "Soldatenkönigs" Geburtstag

Preußische Lektionen im Zeitalter der Wohlfühlpolitik Ein Kommentar zum 337. Geburtstag Friedrich Wilhelms I. Gleich am Anfang - man muss ihn nicht gut finden. Aber, da gibt es eben tatsächlich besondere Geburtstage, die wie mahnende Glockenschläge aus der Tiefe der Geschichte nachhallen … Heute vor 337 Jahren kam er zur Welt, der Mann, der Preußen vom höfischen Prunk auf Kasernenmaß stutzte, der die Nation mit dem Zollstock des Disziplinars und der alten Bibel im Gepäck neu vermessen wollte:...

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GEDANKEN AM DOPPELSPALT
zum 133. Geburtstag Louis de Broglies

Wie schon gestern beim Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. so auch heute - Geburtstage rufen nicht nur den Jubilar in Erinnerung, sondern zugleich die Denkbewegungen, die von ihm ausgingen – wie Wellen, welche in immer weiteren Kreisen laufen, bis sie an das Ufer unserer eigenen Zeit schlagen. Der 15. August 1892 brachte Louis de Broglie hervor, jenen französischen Physiker, der sich das Ungeheuerliche zu denken erlaubte: dass nicht nur Licht, sondern jede Materie – ja, jedes Teilchen – zugleich...

Mühlhausen
Bachkantate BWV 150 erklingt

Am Sonntag, dem 7. September, um 15 Uhr erwartet die Besucher des Divi-Blasii-Festes Mühlhausen ein musikhistorisches Ereignis von besonderer Bedeutung: „Zum ersten Mal seit über 300 Jahren erklingt Johann Sebastian Bachs Kantate „Nach dir, HERR, verlanget mich“ (BWV 150) wieder als Gottesdienstmusik an dem Ort, an dem sie entstanden ist“, informiert Johannes Zähle vom Förderverein „Divi-Blasii-Kirche Mühlhausen“. Gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde Mühlhausen lädt der Förderverein...

13. August 1946 / 13. August 1961
H.G. Wells und die Mauern der Zeit

Mauern und Maschinen: H. G. Wells - ein Zeitsprung in den Kommunismus und darüber hinaus Es ist ein seltsamer Zufall, dass sich an einem 13. August die Biographien zweier ganz verschiedener Architekten der Zeit verflechten. Gemeint sind der Architekt imaginärer Chronomaschinen H. G. Wells (+13. August 1946), und die unfreiwilligen Architekten der realen Mauer in Ostberlin August 1961. Auf unterschiedlichen  Bühnen hat man versucht, dasselbe Material zu bewegen. Die Zeit. Als Sohn eines...

ZEITUNG IM AUGUST 2025
GLAUBE & HEIMAT

Er hatte, am letzten Morgen seines Urlaubs, als einer, der sich längst schon in die schmale Rinne des Heimwegs hineingezwängt weiß und der Rückreise partout nicht mehr ausweichen kann, hatte er den Weg zum Bahnhof über die Strandpromenade genommen. Über diesen schmalen Streifen, der in  schattenloser Vormittagshelle gleißend vor ihm lag, flankiert von kleinen Läden und Kiosken, deren Inventar ihm längst bekannt, ja durchaus so vertraut war, dass jede neue Annäherung eher einer müden...

KERWA FOREVER (Teil 2)
Kirchweihfest ohne Kirche?

KERWA – Die Kirchweih ohne Kirche Man könnte die KERWA als ein anthropologisches Experiment im Festformat beschreiben: eine kollektive Feier, deren ursprünglicher Referenzpunkt systematisch entleert und dennoch unverwüstlich mitschwingt. In der südthüringisch–oberfränkischen Festlandschaft ist sie das, was die Akupunktur im Körper ist – ein kleiner Einstich ins Gewebe der Jahreszeiten, der merkwürdigerweise das Ganze belebt. In vielfältiger Varianz oberfränkischer Sprach-Dialekte immerhin...

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