Faire Arbeitsbedingungen
Protest: «Ihr beutet uns in Behindertenwerkstätten aus»

"Arbeitnehmerähnlich": Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen haben keinen Anspruch auf Mindestlohn.  | Foto: epd-bild/Michael Mueller
  • "Arbeitnehmerähnlich": Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen haben keinen Anspruch auf Mindestlohn.
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Sven Papenbrock blüht in seinem neuen Beruf bei der gemeinnützigen Organisation Sozialhelden auf: «Hier kann ich etwas bewirken und meine Fähigkeiten einbringen», sagt der 32-Jährige.

Von Stefanie Unbehauen

Nach 13 Jahren Arbeit in einer Behindertenwerkstatt hat er ein Praktikum bei den Sozialhelden in Berlin absolviert und ist seit Mai fest angestellt. «Meine Aufgaben hier sind vielfältig und abwechslungsreich», sagt Papenbrock.

Er hätte gerne früher aufgehört, in der Werkstatt zu arbeiten. «Ich habe nur 85 Cent in der Stunde erhalten.» In Deutschland arbeiten rund 320 000 Menschen in Behindertenwerkstätten. Im Durchschnitt verdienen sie dort um die 220 Euro im Monat.

Werkstätten für behinderte Menschen stehen schon lange in der Kritik. In den sozialen Medien wurde nun eine Diskussion losgetreten. Unter dem Hashtag #IhrBeutetUnsAus klären Menschen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, auf und machen ihrem Ärger Luft.

Anne Gersdorff, Referentin für Arbeit bei der Kampagne JOBinklusive, sagt: "Das Konzept von Behindertenwerkstätten wird zu wenig hinterfragt." Viele Unternehmen, die mit Behindertenwerkstätten kooperieren, wüssten oft nicht, dass die Beschäftigten lediglich als «arbeitnehmerähnlich» behandelt werden. Das führe dazu, dass sie weniger Rechte und keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben.

Die Bedingungen in den Werkstätten seien hart. Von Mobbing über Ausgrenzung bis hin zu Gewalt sei alles dabei: «Es gibt Personal, das Druck auf die Beschäftigten ausübt und ihnen einredet, dass sie es in der richtigen Arbeitswelt nicht schaffen würden», sagt Gersdorff. Auch Sven Papenbrock erinnert sich an Mobbing: «Mir wurde immer wieder gesagt, wenn mir etwas nicht passe, könne ich ja gehen und es auf dem richtigen Arbeitsmarkt versuchen.» Den Hashtag #IhrBeutetUnsAus und die dadurch angestoßene Diskussion findet er gut, sie geht ihm aber nicht weit genug. «Das Problem ist, dass es die richtigen Personen und die Politik erreichen muss», sagt Papenbrock. Die Debatte bleibe viel zu oft in Kreisen hängen, denen die Problematik lange bekannt sei.

Auf der Internetseite JOBinklusive.org haben Aktivisten ihre Forderungen niedergeschrieben. Neben dem gesetzlichen Mindestlohn fordern sie finanzielle Anreize für erfolgreiche Vermittlungen von Werkstattbeschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Vermittlungsquote von Beschäftigten aus den Werkstätten auf den Arbeitsmarkt liege bei nur einem Prozent. «Wir haben außerdem einen Aufruf gestartet, dass Leute ihre Lieblingsunternehmen anschreiben und auf die Bedingungen in Werkstätten aufmerksam machen sollen», sagt Gersdorff.

Nach Meinung der JOBinklusive-Referentin braucht es unabhängige Beratungsstellen, an die sich die Beschäftigten wenden können, um den Übergang zu meistern. Firmen sind verpflichtet, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Die gesetzliche Quote liegt bei mindestens fünf Prozent. Wenn Unternehmen sie nicht erfüllen, müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen. Gersdorff kritisiert: «Firmen können sich regelrecht freikaufen.» Dadurch entstehe Exklusion statt Inklusion. Sven Papenbrock weist auf den Twitter-Aufruf #StelltUnsEin hin und appelliert an Firmen: «Stellen Sie Menschen mit Behinderung direkt ein, geben Sie uns eine Chance!»

 (epd)

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Online-Redaktion

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