Nach der Flut vor Traumata bewahren
Besondere Sensibilität

Bestatter Jens Ernesti hat einen Teil seiner Geschäftsräume durch das Hochwasser verloren. Doch trotzdem hat er sich weiter um Sterbefälle gekümmert. | Foto: epd-bild/Meike Böschemeyer
  • Bestatter Jens Ernesti hat einen Teil seiner Geschäftsräume durch das Hochwasser verloren. Doch trotzdem hat er sich weiter um Sterbefälle gekümmert.
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Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands hat auch Bestatter vor außergewöhnliche Herausforderungen gestellt.

Von Franziska Hein

Normalerweise habe er ein bis drei Mal im Jahr mit Todesfällen nach einem Unfall oder einer Katastrophe zu tun, beispielsweise ein Familienvater, der bei einem Motorradunfall gestorben sei, sagte der Swisttaler Bestatter Jens Ernesti. «Aber wenn man plötzlich mehrere solcher Fälle hat, ist das eine andere Belastung.»

Für Eltern, die ihr Kind durch eine Katastrophe verlören, sei dies das Schlimmste, was passieren könne. «Da gehe ich abends nicht nach Hause und schließe einfach die Tür. Da habe ich schon das Bedürfnis, meine eigene Tochter mal länger in den Arm zu nehmen», sagte Ernesti, der unter anderem eine junge Frau bestattet hat, die durch die Flut ums Leben kam.

Ernesti hat durch die Flutkatastrophe im südlichen Nordrhein-Westfalen vor fünf Wochen selbst einen Teil seiner Geschäftsräume verloren. Der Schaden gehe in die Hunderttausende. Das komplette Büro und die Sargausstellung seien zerstört, ein fast neuer Leichenwagen verloren gegangen. Trotzdem konnte er weiterhin Verstorbene bestatten.

Der Umgang mit Angehörigen von Opfern der Flutkatastrophe erfordert seiner Meinung nach eine besondere Sensibilität. «Die Hinterbliebenen wollen den Verstorbenen manchmal noch einmal sehen, bevor er beerdigt oder eingeäschert wird. Davon raten wir bei den Flutopfern ab», sagte Ernesti. Die Flutopfer hätten oft sehr schwere Verletzungen. Das könne traumatisierend sein für die Angehörigen. «Das Abschiednehmen soll guttun, es soll noch einmal die Bestätigung geben, dass der Mensch wirklich nicht mehr da ist», sagte Ernesti. Bestatter haben zwar viele Möglichkeiten, Wunden so zu bearbeiten, dass man hinterher nicht viel davon sehe. Doch er habe durch das Hochwasser auch sein Material verloren, so dass das nicht immer möglich gewesen sei.

In den Tagen und Wochen nach dem Unwetter Mitte Juli hätten Bestatter wie er unter sehr erschwerten Bedingungen gearbeitet. Direkt am Tag nach der Flut habe er eigentlich eine Beisetzung gehabt, die nicht stattfinden konnte. «Ich konnte nicht in mein Geschäft, weil die Wege dorthin nicht befahrbar waren, und auch das Geschäft unter Wasser stand», sagte er. Er habe den Sarg nicht holen können. Die Familie habe er nicht über Telefon oder Internet informieren können. «Ich bin am Ende zu Fuß zu den Angehörigen gegangen.»
Sorge hätten ihm auch die anderen Särge im Kühlraum bereitet. Doch der habe viel Wasser abgehalten. Den Verstorbenen darin sei nichts passiert.

 (epd)

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Online-Redaktion

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