Anhalt
„Stehen in der Verantwortung, erlittenes Unrecht aufzuarbeiten“

Foto: epd-bild / Ramesh Amruth

Dessau-Roßlau (red) - Die juristische Oberkirchenrätin der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Franziska Bönsch, hat die heute veröffentlichte Studie des Forschungsverbundes Forum als zentralen Beitrag zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland bezeichnet. „Wir müssen mit der Tatsache umgehen, dass es in der Evangelischen Kirche sexualisierte Gewalt gab und gibt. Betroffene haben furchtbares Leid erlitten mit Folgen für ihr ganzes Leben. Ihnen gegenüber stehen wir in der Verantwortung, erlittenes Unrecht aufzuarbeiten und dabei gerade auch das Versagen von Kirche als Institution offen zu legen. Wir wollen einstehen für das, was geschehen ist." Die Foru-Studie, so Bönsch bilde eine neue systematische Grundlage für die institutionelle Aufarbeitung. „Sie hilft uns dabei, Zusammenhänge besser zu verstehen und Risiken zu minimieren.“

In der Evangelischen Landeskirche Anhalts wurden in den vergangenen Monaten rund 500 Personalakten und die dazugehörigen Disziplinarakten von Pfarrpersonen aus den Jahren 1946 bis 2020 ausgewertet. Dabei wurden an das Forschungsprojekt Forum zwei Fälle von sexualisierter Gewalt aus den 1950er und 1960er Jahren gemeldet, in denen zwei beschuldigte Pfarrpersonen aus anderen Landeskirchen in die Evangelische Landeskirche Anhalts gewechselt waren und hier weiter im Dienst standen. Es wurden in diesem Zusammenhang drei betroffene Personen ermittelt. Da die Taten in anderen Landeskirchen geschehen waren, habe die Anhaltische Landeskirche damals von einer Recherche abgesehen, so Bönsch.

„Es ist heute deutlich, wie die Landeskirche in diesen Fällen ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Das bedauern wir zutiefst. Wir müssen klären, warum nachweisliche Täter weiterhin in der Landeskirche beschäftigt wurden. Und wir müssen sicherstellen, dass Vergleichbares nicht wieder geschieht.“

Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt in der Anhaltischen Landeskirche seien für Bönsch als leitende Juristin seit Beginn ihrer Tätigkeit von zentraler Bedeutung.  „Wir werden die Forum-Studie genau auswerten und auf allen Ebenen der Landeskirche diskutieren. In den nächsten Jahren werden wir vergleichbare Recherchen wie für die Forum-Studie auch für den gesamten Bereich des Verkündigungsdienstes durchführen. Außerdem werden wir unsere Interventions- und Präventionsarbeit in der gesamten kirchlichen Arbeit intensivieren", kündigte Bönsch an. 

Seit acht Jahren gibt es in der Evangelischen Landeskirche Anhalts eine Ansprechstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Eingerichtet wurde zudem gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Diakonie Mitteldeutschlands eine Meldestelle bei einem externen Dienstleister.

Nach Verabredung zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) wird zeitnah eine regionale Aufarbeitungskommission gebildet werden und ihre Arbeit aufnehmen. Nach Verabredung zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) sollen durch Bundesländer regionale Aufarbeitungskommissionen berufen werden, die mit verschiedenen wissenschaftlichen Methoden den Aufarbeitungsprozess steuern und gestalten.

Links: 
Missbrauch melden 
Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt

Autor:

Katja Schmidtke

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