Mödlareuth
Panoramablick auf "Little Berlin"

Foto: epd-bild/ Annette Zoepf

300 Kilometer sind es von hier nach Berlin, 300 Kilometer in entgegengesetzter Richtung nach München. Seit den 1960er Jahren verlief eine Mauer mitten durch Mödlareuth. "Little Berlin" nannten die dort stationierten US-Amerikaner den Ort deshalb.

Von Jens Büttner 

Das Dörfchen Mödlareuth an der Grenze von Bayern und Thüringen durchzieht ein kleiner, unscheinbarer Bach. Der nur wenige Zentimeter breite Wasserlauf wurde in der Zeit des Kalten Krieges zum unüberwindbaren Hindernis. Die Mauer am winzigen Tannbach riegelte den zur DDR gehörenden Nordwestteil und den zur Bundesrepublik zählenden Südostteil des Dörfchens Mödlareuth hermetisch voneinander ab. Die Grenze zwischen amerikanischem und sowjetischem Sektor, zwischen zwei Welten - Ost und West, Sozialismus und Kapitalismus, Diktatur und Demokratie - ging mitten durch diesen kleinen Ort mit nur wenigen Dutzend Einwohnern.

„Little Berlin“ nannten die US-Amerikaner Mödlareuth deshalb - „Klein Berlin“. Seit 35 Jahren sind die Soldaten verschwunden aus dem kleinen Dörfchen. Doch die 1966 fertiggestellte, 700 Meter lange Mauer ist - zumindest teilweise - geblieben, als Mahnmal und einzigartiges Anschauungsstück der Geschichte.

Die Trennung von Mödlareuth ist dabei weit älter als der Ost-West-Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg. Dem Ort zum Verhängnis wurde eine uralte Grenzlinie. Schon früher markierte das Flüsschen die preußisch-bayerische Verwaltungsgrenze. Im Jahre 1810 wurden entlang des Tannbaches neue Grenzsteine gesetzt, die das Königreich Bayern vom Fürstentum Reuß trennten. Neu in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war aber, dass nun eine Mauer beide Ortsteile voneinander abriegelte - Austausch unmöglich.

Jahrzehnte lang war die Verwaltungsgrenze zuvor fast ohne Bedeutung für die Anwohner geblieben: Schule und Wirtshaus lagen auf thüringischer, die Kirche auf bayerischer Seite. Das änderte sich nach Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 zusehends. Mit der Grenzordnung der DDR aus dem Mai 1952 wurden im ostdeutschen Hinterland der Grenze ein mehrere hundert Meter breiter Schutzstreifen und eine fünf Kilometer breite Sperrzone eingerichtet. Nächtliche Ausgangssperre und Versammlungsverbot lähmten das öffentliche Leben, vermeintlich „unzuverlässige“ Personen wurden aus dem Grenzgebiet ausgesiedelt.

Auf Westseite avancierte Mödlareuth schon zur Zeit des Kalten Krieges zur touristischen Attraktion: Selbst internationale Prominenz nahm das Kuriosum in Augenschein. Eine „Perfidität“ nannte es der Landrat des bayerischen Landkreises Hof, Oliver Bär (CSU), einst, eine Grenze durch ein Dorf zu bauen und damit auch familiäre Bande zu trennen. In einer Kommune mit wenigen Dutzend Einwohnern falle dies noch viel mehr auf als in der großen Stadt Berlin. Auch auf westdeutscher Seite sei die Grenzöffnung im Jahre 1989 daher einer „wahnsinnigen mentalen Erleichterung“ gleichgekommen. Zu nah traute man sich in der Zeit des Kalten Krieges auch dort nicht an die Mauer heran, erinnert sich Bär an seine eigene Kindheit in der Region.

Jetzt bekommt das aus privater Initiative nach dem Mauerfall entstandene Deutsch-Deutsche Museum mit jährlich mehreren Zehntausend Besuchern ein neues Gebäude. Zur Eröffnung kommt am Donnerstag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in den kleinen Ort. Mit dem Museumsgebäude ergibt sich durch ein großes Panoramafenster auch eine Sichtachse zum Freigelände und den Mauerresten. Museumsleiter Robert Lebegern nennt den Ort im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) „so etwas wie einen Mikrokosmos der deutschen Teilungsgeschichte“.

Tausende Exponate weist die Sammlung aus, darunter ein riesiger originaler Fuhrpark mit DDR- und westdeutschen Polizei- und Armeefahrzeugen. Hinzu kommt das einzigartige Freilichtmuseum mit den erhaltenen Mauerteilen, Grenzanlagen und einem Wachturm, der das Dorfbild prägt. Das Dorf ist Museum und das Museum ist Dorf. Die Anlagen sind geblieben, ihr Schrecken gewichen.

Die Stimmung im Dorf ist 35 Jahre nach der Wiedervereinigung gut. Schon am 9. Dezember 1989 feierten die Einwohner ihre Grenzöffnung mit Bratwurst, Sekt und Glühwein. Heute harmonieren beide Seiten gut miteinander, auch wenn der Ort wie ehedem zu zwei Bundesländern gehört, zwei Ortsvorwahlen, unterschiedliche Autokennzeichen und zwei Bürgermeister hat.

Museumsleiter Lebegern hat noch einen anderen Wunsch zum Jahrestag, nämlich die Weitergabe der Erfahrungen an jüngere Generationen. Denn mit zunehmendem historischem Abstand seien die Grundkenntnisse deutlich geringer, die Nicht-Erlebnisgeneration nehme zu: „Auch das Ende der Zeitzeugenschaft macht sich bei uns bemerkbar.“

(epd)

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