Glaube und Geschlecht
Moderne Konzepte nicht auf Christus projizieren

Foto: epd-bild/Heike Lyding

Frankfurt a.M. (epd). In der Debatte um Geschlechteridentitäten in der Kirche werden laut dem Kirchenhistoriker Anselm Schubert oft moderne Ideen auf Jesus Christus bezogen. Radikale Interpretationen, die Christus beispielsweise als homosexuell oder als Frau darstellen, basierten meist auf heutigen Vorstellungen von Geschlecht und Identität, sagte der Erlangener Professor für Kirchengeschichte. Schubert ist Autor des im August erschienenen Buches «Christus (m/w/d)».

Viele Menschen identifizierten sich eher mit der historischen Jesusfigur als mit dem dogmatischen Christus, der durch die Kirchen verkündet wird. Die Unterscheidung zwischen menschlicher und göttlicher Natur Christi sei aber zentral, um die Entwicklung der Lehre von Christus im Christentum zu verstehen, sagte Schubert. Im Lauf der Christentumsgeschichte habe sich radikal geändert, was man unter Geschlecht, unter Männlichkeit, Weiblichkeit oder Androgynität verstand. Entsprechend habe man auch Christus mitunter ganz andere Geschlechter und Geschlechtseigenschaften zugeschrieben als es heute üblich scheine.

In der christlichen Tradition wurde Christus über 2.000 Jahre und bis heute mehrheitlich als Mann gesehen. Aber im Mittelalter sei er beispielsweise in der theologischen Tradition der Frauenorden auch mit weiblichen Eigenschaften identifiziert worden. «Die Eigenschaften, die Jesus Heilswerk auszeichnen, nämlich Sterben, Leiden, Liebe, Fürsorge, Gnade und Erbarmung - anstatt Richter, Gottessohn, Weltenherrscher - wurden eher einem weiblichen Naturell zugeordnet», sagte der evangelische Theologe. Diese waren aber symbolisch oder moralisch, nicht anatomisch gemeint. Theologinnen wie Hildegard von Bingen (1098-1179) hätten sich Christus nicht biologisch, sondern nur in seinen sozialen Eigenschaften als Frau vorgestellt.

Im 19. Jahrhundert kritisierten einige unter dem Einfluss biologistischer Geschlechtervorstellungen den traditionellen Christus dagegen als zu «weichlich» und «verweiblicht», so Schubert. Sie forderten ein hypermaskulines Christusbild, das Härte, Herrschaft und Kämpfertum betont, als Gegenentwurf zum traditionellen Bild des sanften und mitfühlenden Jesus. Dass es nicht mehr nur zwei Geschlechter gebe, werde in den kommenden Jahrzehnten wohl zum allgemein anerkannten kulturellen Wissen, prognostizierte Schubert. «Und es wird auch weiterhin Gruppen geben, die ihr Bild in Christus wiederzuerkennen versuchen - so wie alle Christinnen und Christen das in den vergangenen 2.000 Jahren stets gemacht haben.»

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Online-Redaktion

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