Wort zur Woche
Erst denken, dann streiten
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Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. 2. Korinther 5, Vers 10a
Wie reagieren Sie, wenn Ihnen jemand Vorwürfe macht, oder wenn jemand Sie in einem Gespräch angreift? Werden Sie wütend, oder ziehen Sie sich eher zurück? Was für ein Typ sind Sie?
Von Peter Gümbel
Es gibt Menschen, die sofort auf Gegenangriff umschalten. Es gibt andere Menschen, die erstmal stumm sind und denen später ganz viel einfällt, was man alles hätte sagen können. Es gibt Menschen, die alles erstmal an sich abperlen lassen. Und es gibt Menschen, die nehmen sich alles so zu Herzen und fühlen sich schlecht, weil sie denken: Vielleicht bin ich wirklich so, wie der andere mich gerade sieht. Was für ein Typ bin ich?
Meistens ist es bei mir eine Mischung der unterschiedlichen Typen: Mal bin ich mehr derjenige, der zurückpoltert, mal mehr derjenige, der zurückrudert. Und das ging anderen schon sehr ähnlich.
Paulus zum Beispiel: Im 2. Korintherbrief kann man sehr schön nachlesen, wie er auf Vorwürfe, Angriffe und Beleidigungen reagiert. Da ist die ganze Palette dabei: Paulus erklärt sich, Paulus versucht gute Stimmung zu machen, Paulus kämpft um seine Position. Er argumentiert, er polemisiert, und er zeigt seine Traurigkeit. Und mittendrin der Gedanke: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ An dieser Stelle macht der 2. Korintherbrief eine Gedankenpause.
Alles, was wir heute begreifen, ist noch vorläufig. Wir wissen noch nicht alles. Unser Urteil ist noch nicht das letzte. Vor dem Richterstuhl Christi, am Ende der Zeit, kann alles auch noch mal ganz anders beurteilt werden. Paulus wird mitten im Streit demütig, indem er zu bedenken gibt: Wer am Ende recht hat, entscheiden nicht wir. Wie wird Jesus einmal auf unsere Auseinandersetzung sehen? Hier entsteht Nachdenklichkeit, die jeden Streit etwas offener und lebendiger machen kann. Und das ist gut im Zwischenmenschlichen. Und diese Nachdenklichkeit wäre gut in der großen Politik, damit weniger Kriege und mehr Gespräche und Verhandlungen unsere Welt bestimmen.
Der Autor ist Pfarrer in Weimar.
Autor:Online-Redaktion |
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