Pfingsten
Das Leben feiern: Pfingsten

Foto: G+H

Mit Begeisterung erfüllt das Pfingstfest die Menschen: Der Glaubenskurs
der Sonntagszeitung widmet sich den kirchlichen Festen und zeigt, warum sie eine Schule für Lebenskunst sind.

Von Fabian Vogt

Pfingsten wird gerne der »Geburtstag der Kirche« genannt. Warum eigentlich? Ganz einfach: Weil an diesem Tag aus einer Gruppe recht orientierungsloser und unsicherer Jesus-Anhängerinnen und -Anhänger eine echte Glaubensgemeinschaft wurde, die voller Leidenschaft anfing, die Botschaft von Jesus Christus zu verkünden. Schauen wir uns das mal etwas genauer an.
Nachdem Jesus in den Himmel entschwunden war, blieb die Jüngerschar ein wenig ratlos zurück: Wie sollte es denn jetzt weitergehen? So eine echte Gebrauchsanleitung für die Zukunft hatte der Sohn Gottes ja nicht hinterlassen. Außerdem konnten die römischen Besatzer jeden Moment auf die gefährliche Idee kommen, auch die Nachfolger des gekreuzigten Wanderpredigers foltern oder töten zu lassen. Keine schöne Aussicht. Also hockte die unsichere Schar ratlos und zurückgezogen zusammen und wusste nicht weiter. Eine traurige Situation.
Doch dann passierte es: Auf einmal gab es nämlich einen Sturm. Ja, einen Sturm … im Haus. Da wehte zwischen den Bänken und Tischen plötzlich ein heftiger Wind. Und gleich darauf tanzten kleine Feuerzungen durch die Luft. Die ließen sich langsam auf den Köpfen der Anwesenden nieder – und veränderten alles. Und zwar auf unfassbare Weise: Die gleichen Leute, die eben noch ängstlich und verzagt rumgesessen haben, springen auf, rennen nach draußen und fangen an, irgendwelchen wildfremden Leuten davon vorzuschwärmen, wie sehr dieser Jesus ihr Leben verändert hat. Und jede Angst vor irgendwelchen Verfolgungen ist verschwunden. Unglaublich.
Was ist passiert? Nun, die Frauen und Männer sind an Pfingsten mit dem Heiligen Geist erfüllt worden, einer schwer zu beschreibenden Kraft, die Jesus allerdings selbst sehr eindringlich angekündigt hatte: »Der Vater wird euch den Beistand schicken, der an meine Stelle tritt: den Heiligen Geist. Der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich selbst euch gesagt habe.«
Bislang hatten sich die Jünger unter diesem seltsamen Beistand wenig vorstellen können, aber jetzt merken sie am eigenen Leib, was der Heilige Geist tut: Er »be-geistert«, im wahrsten Sinne des Wortes, er »in-spiriert«, er bringt in Bewegung, er feuert an, er motiviert und er macht Mut. Da passt es ganz gut, dass das hebräische Wort für den Geist Gottes »Ruach«, Wind, heißt: Denn so wie den Wind kann man den Geist Gottes zwar nicht sehen, aber man kann beobachten, was er bewegt. Und wie!
Die versammelte Jüngerschar erlebt so nicht nur einen grandiosen Veränderungsprozess, sondern so etwas wie eine kleine Auferstehung. Eine innere Erfüllung und Zielgerichtetheit, bei der ihr klar wird, dass jede und jeder jetzt Teil eines größeren Ganzen ist und dass sie gemeinsam die Aufgabe haben, die Liebe Gottes, die sie durch Jesus kennen gelernt haben, mit der Welt zu teilen.
Der Geist offenbart sich übrigens – und ich behaupte mal: ganz bewusst – in der Gemeinschaft. Da wird nicht ein Einzelner bevorzugt, sondern im
Miteinander der Glaubenden kann sich die Kraft Gottes entfalten. Da, wo sich Menschen in Jesu Namen versammeln, will er wirken. Dass in der Pfingstgeschichte die Jüngerinnen und Jünger überraschenderweise den ausländischen Besuchern auch in ihnen bislang unbekannten Sprachen von Gott erzählen können, hat die Christen von Anfang an fasziniert. Doch diese spontane Begabung will vor allem deutlich machen, dass der Heilige Geist eine Kraft ist, mit deren Hilfe Menschen über sich selbst hinauswachsen können.
Es war auch kein Zufall, dass während dieses spektakulären Ereignisses so viele ausländische Gäste in Jerusalem waren: Das Volk Israel feierte nämlich an diesem Wochenende nicht nur das große Fest der Frühlingsernte, es dankte Gott auch für die Gabe der Zehn Gebote. Deshalb steckt in der Pfingsterzählung zugleich ein kleiner Seitenhieb gegen bestimmte Kreise des damaligen Judentums: »Da, wo ihr nur die Gesetze habt, da haben wir den Heiligen Geist. Und der bringt uns im Leben weiter als nur die Gebote.«
Tatsächlich erinnert das Pfingstereignis alle Menschen (auch die Christen), die in der Religion gerne die Bedeutung der Gesetze betonen, bis heute an das Wesentliche: Es geht um die Begeisterung für den Glauben. Der Apostel Paulus hat ja sogar mal ein wenig garstig geschrieben: »Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.«
Das Pfingstfest, das 425 offiziell eingeführt wurde, ermutigt, die lebensstiftende Kraft des Evangeliums immer wieder neu zu entdecken – und sich bewusst zu machen, dass Gott die Menschen durch seinen Geist einlädt, die Welt zu verändern.

Der Autor ist Theologe, Schriftsteller und Kabarettist

Autor:

Online-Redaktion

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