Wochenlied-Serie – Folge 5
Brunnen des Heils

Das Evangelische Gesangbuch feiert sein 500-jähriges Jubiläum. In einer Serie stellen Kirchenmusiker aus Mitteldeutschland einmal im Monat ein Wochenlied vor. Diese Folge dreht sich um das Lied "Brunn alles Heils, dich ehren wir" (EG 140).

Von Markus Leidenberger

Kennen Sie noch einen Brunnen? Oder kommt bei Ihnen, wie bei mir zuhause, das Wasser einfach aus dem Wasserhahn? Für uns ist es selbstverständlich, dass das Wasser aus dem Hahn kommt. Die Wasserwerke sorgen dafür.

Bei natürlichen Brunnen ist das nicht ganz so. Man muss das Wasser schöpfen, meist mit einem Eimer nach oben befördern. Am Brunnen hat man zu tun und kann ins Gespräch kommen.

Ich stelle mir vor: Im Jahr 1745 unterhält sich der Mystiker Gerhard Tersteegen mit Aaron, dem ersten Hohenpriester der Israeliten, der etwa zweieinhalb Jahrtausende vor ihm gelebt hat, an einem Brunnen über den aaronitischen Segen. Diese Segensformulierung kennen wir aus unseren Gottesdiensten. Man kann sie 4. Mose 6, 24-26 nachlesen.

Die beiden unterhalten sich. Gerhard: Du hast den Israeliten zusammen mit Mose vermittelt, dass es nur einen Gott gibt, von dem alles kommt: Das Leben, das Gute, das Behütetsein – das Licht, das gelingende Miteinander, die Gnade – Trost und Frieden. Kurz gesagt: Dein Segen von einem Gott war und ist dreiteilig.

Aaron: Du redest von einem Gott, der Herr ist, Schöpfer, Heiland, Tröster. Euer Glaubensbekenntnis mit seinen drei Teilen kann ich gut verstehen. Es ist bei ihm wie bei meinem Segen. Um den Menschen Gott nahezubringen, braucht es mehrere Sichtweisen auf den einen Gott. Gott hat sich offenbart und leuchtet mit seinem Angesicht über uns heute in deinem und meinem Leben.

Gerhard: Ich empfinde das noch viel tiefer. Um von Gott zu sprechen, verwende ich einen künstlerischen Ausdruck, der mich über das Alltägliche erhebt. Ich fasse diese Gedanken in einen gereimten Hymnus, vier Zeilen mit je acht Silben. Ich rahme deinen dreiteiligen Segen mit dem Bild des Brunnens, der ewig fließt.

Aaron: Der Brunnen ist ein sehr schönes Bild. Ohne Wasser gibt es kein Leben, nicht in der Wüste und nicht in deiner Küche. Der Wasserhahn allein genügt nicht. Es muss dann schon auch Wasser fließen.

Gerhard: Für mich ist das Wasser nicht nur zur äußerlichen Anwendung. Ich möchte es auch trinken, in mich aufnehmen und in mir spüren. Gottes Segen wird zugesprochen. Das bedeutet: Gott ist da, um mich herum, aber auch in mir drin, in meinem Denken, Fühlen und Handeln. Wenn mir das klar wird, dass ich seinen Segen erlebe, dann möchte ich singen und Gott loben: Brunn alles Heils, dich ehren wir!

Der Autor ist Landeskirchenmusikdirektor der Landeskirche Sachsens.

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Online-Redaktion

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