Orthodoxe Juden
Über einen Neuanfang in Dresden

ZDF-Dokumentation porträtiert Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde und junge Aussteiger aus der ultraorthodoxen Welt

Von Leticia Witte

Sein Weg aus einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinschaft stößt auf Interesse: Der Dresdner Rabbiner Akiva Weingarten legt in einem neuen Buch seinen Schritt auf 256 Seiten ausführlich dar – mit allen Zweifeln, Schmerzen, Neuanfängen und glücklichen Fügungen. Zudem gibt er tiefere Einblicke in die religiöse Welt, aus der er kommt.

Auch in einer ZDF-Doku, die derzeit über die Mediathek des Senders abrufbar ist, wird Weingarten porträtiert – und mit ihm weitere Jüdinnen und Juden, die einer streng religiösen Gemeinschaft den Rücken gekehrt haben. Sie sind Gäste von "Besht Yeshiva Dresden", die von Weingarten gegründet wurde, sich als "liberal-chassidisch" und als Anlaufstelle für Aussteiger versteht, um sie auf ein Leben in ihrem neuen Umfeld vorzubereiten.

Zunächst zum Buch mit dem Titel "Ultraorthodox. Mein Weg": Auf dem Cover ist ein Foto, das aktuell auch in der Ausstellung "Zerheilt" mit Fotos von Frederic Brenner im Jüdischen Museum Berlin zu sehen ist. Die eine Körperhälfte von Weingarten erscheint "säkular" ohne Bart und mit unbedecktem Kopf, die andere Hälfte "ultraorthodox" mit Bart, Schläfenlocke und einem halben Schtreimel, dem traditionellen Pelzhut. In einem Interview für die Ausstellung erklärt Weingarten: "Ich fühlte, dass diese Halbierung einen inneren Konflikt repräsentiert, den ich habe: zwischen der Welt, aus der ich gekommen bin, und der Welt, in der ich jetzt lebe, und meinen Versuch, diese beiden Welten zu kombinieren."


"Ich glaube, erst nach meinem Ausstieg habe ich Gott gefunden"

Im Buch berichtet Weingarten von seinem Aufwachsen bei den Satmarer Juden in den USA. Er beschreibt sie als geschlossene Welt voller Regeln für Männer und Frauen, die beiden Geschlechtern verschiedene Sphären zuweisen. Zugleich aber auch als eine Welt der Gemeinschaft, des Rückhalts und gegenseitiger Hilfe.

Es geht um seine Studien in Thoraschulen und seine Übersiedlung in die ultraorthodox geprägte Stadt Bnei Brak in Israel – und eine für Weingarten neue Perspektive. Denn hier ist es nicht die nichtjüdische Umgebung wie in den USA, gegen die man sich abgrenzt, sondern die ebenfalls jüdische, aber liberalere bis säkulare Umgebung. Was seine Zweifel an seinem eigenen Weg weiter verstärkt.

Weingarten führt eine unglückliche Ehe, wird Vater von drei Kindern und verlässt eines Tages Israel in Richtung Berlin. Ein Neuanfang, der auch geprägt ist durch Zufallsbegegnungen mit Menschen, die ihm neue Perspektiven eröffnen.

Das Ergebnis sieht man in der Doku "Ultraorthodox? Nein danke!". Dort trifft der Zuschauer zum Beispiel Oriya, die einen Mann heiraten sollte, den sie nicht kannte, und David, der nach einer Rasur nicht mehr in seiner Gemeinschaft bleiben konnte. Beide kamen aus Israel nach Dresden. Man sieht sie, Weingarten und andere junge Leute aus der "Besht Yeshiva Dresden" im Alltag, so etwa beim gemeinsamen Schabbat.

Oriyas Augen leuchten, als sie sagt, dass sie nun endlich gemeinsam mit Männern singen dürfe und feststellt: "Ich glaube, erst nach meinem Ausstieg habe ich Gott gefunden." Auch Weingarten berichtet von einem neuen Zugang zu Gott. David sagt lächelnd: "Das ist meine neue Familie. Das ist die beste Zeit." Und: "Ich habe meine eigenen Gesetze. Ich glaube, ich bin angekommen."

Weingarten leitet nicht nur "Besht Yeshiva", sondern ist seit Herbst 2021 auch Rabbiner der neu gegründeten Jüdischen Kultusgemeinde Dresden. Damals hat er betont, dass es ihm wichtig sei, "eine lebendige junge und egalitäre Gemeinde zu gründen, in der wir unsere Kultur und Traditionen mit den unterschiedlichsten Menschen teilen können". Ein Ort, mit dem sich, so sein Wunsch, viele Menschen identifizieren könnten.

 (kna)

Die Dokumentation ist über die ZDF-Mediathek abrufbar:
cutt.ly/zdf-weingarten

Weingarten, Akiva: Ultraorthodox. Mein Weg, Gütersloher Verlagshaus, 256 S., ISBN 978-3579062181; 20,00 Euro

Autor:

Online-Redaktion

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