Buchtipp
Auf Spurensuche am Ettersberg

Foto: hartmann-books.com

Der Leipziger Fotograf Christian Rothe hat mehrere Jahre mit einer analogen Großbildkamera die Gegend um das ehemalige Konzentrationslager bei Weimar durchstreift und einer intensiven Betrachtung unterzogen. Jetzt ist die Serie als Bildband unter dem Titel „Buchenwald“ anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung erschienen.

Doris Weilandt

Verwunschen wirken die Schwarz-Weiß-Bilder, auf denen sich die Vegetation ungestört entfaltet. Wären da nicht die Reste von Mauern, Steinquader, quadratische Löcher und Treppen, die zu nichts mehr führen. Spuren einer grausamen Vergangenheit, über die die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes Gras wachsen lässt.
„Wenn die Feen flüchten, besetzen die Holzfäller, Verdammte, die Lichtung, wo sie den Reigen tanzten“, heißt es in dem Gedicht „Der gefesselte Wald“ von José Fosty, das an den Anfang des Bildbandes gestellt wurde und damit in das Thema einführt.

Christian Rothe interessiert die Rückverwandlung des Ettersberges in diesen "Feenwald". Das Dickicht hat die Mauerreste ehemaliger SS-Kasernen und der Gustloff-Werke, in denen Häftlinge arbeiten mussten, überwuchert und den Raum zurückerobert. Der Fotograf verspürte einen Antrieb, sich durch diese Landschaft zu kämpfen, möchte mit seinen künstlerischen Positionen aber auch Fragen stellen.

Der Herausgeber des Buches, Günter Jeschonnek, listet in seinem Beitrag eine ganze Reihe da-von auf, ohne sie zu beantworten. Darunter: „Welche Assoziationen lösen die geisterhaften Ausformungen des Dickichts oder der Baumstämme mit ihren gesichtsähnlichen Vernarbungen aus?“

Der Theologe und Sozialethiker Heinrich Bedford-Strohm schreibt in dem Beitrag „Die Aktualität der Erinnerung“ über seine Eltern, die als Jugendliche durch die Verbrechen des Dritten Reiches zutiefst erschüttert waren. In Erinnerung an Dietrich Bonhoeffer, der kurz vor seiner Ermordung im KZ Buchenwald interniert war, bekam der ältere Bruder den Vornamen des widerständigen Pfarrers. Die Eltern besuchten mit ihren Kindern KZ-Gedenkstätten. Das hat sich bei Bedford-Strohm tief eingebrannt.

Den Bildern von Christian Rothe sind weitere Texte beigegeben, die aus Romanen ehemaliger Buchenwald-Häftlinge stammen: Imre Kertész „Roman eines Schicksallosen“, Bruno Apitz „Nackt unter Wölfen“ und Jorge Semprun „Was für ein schöner Sonntag!“. Darin heißt es: „Der Buchenwald auf dem Hügel von Ettersberg, der diesem Ort seinen Namen Buchenwald gibt, liegt einige Kilometer von Weimar entfernt“.

Die Auseinandersetzung mit dieser nachbarschaftlichen Nähe, in der das Dritte Reich unter der Überschrift „Jedem das Seine“ im Angesicht der Klassikerstadt ungehindert schwerste Verbrechen beging, darf nicht enden. Das ist die Botschaft, die uns der Fotograf mit seinen Bildern nahebringen möchte. Die Romantik, die aus den Aufnahmen spricht, ist die Oberfläche. Die Geschichte liegt darunter.

Rothe, Christian: Buchenwald. Im Dickicht vom Ettersberg, Hartmann Books, 240 S., ISBN 978-3-96070-125-5; 38,00 Euro

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Online-Redaktion

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