DDR-Kirchenverluste # 10
Die Anglikanische St. George’s Church Berlin

St. George’s Anglican Church im Monbijoupark, 1886. | Foto: CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98906892
  • St. George’s Anglican Church im Monbijoupark, 1886.
  • Foto: CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98906892
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In der DDR wurden bis 1988 rund 60 Kirchen auf staatlichen Druck gesprengt. Die wohl bekannteste von ihnen war die Paulinerkirche Leipzig – auch Universitätskirche St. Pauli genannt – im Jahr 1968. Die Serie erinnert an verlorene Sakralbauten in Mitteldeutschland und darüber hinaus.

Die St. Georg´s Church war das anglikanische Gotteshaus in Berlin, das 1885 eingeweiht, im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1949 gesprengt wurde.

Geschichte
In Berlin gab es seit den 1830er Jahren anglikanische Gottesdienste. Ab 1855 diente das Torhaus vom Schloss Monbijou an der Oranienburger Straße als English Chapel (Englische Kapelle). König Friedrich Wilhelm IV. öffnete 1854 auch den Theatersaal des Schlosses für Gottesdienste.

1883 stellte Wilhelm I. anlässlich der nahenden Silberhochzeit des Kronprinzenpaares ein Areal im Park von Schloss Monbijou zur Verfügung, um dort eine anglikanische Kirche zu errichten. Hintergrund: Kronprinzessin Victoria von Großbritannien und Irland, 1840 in England geboren, war anglikanischen Glaubens.
Berlins anglikanische Kirchengemeinde wuchs, und so entstand zwischen dem 24. Mai 1884 – dem Tag der Grundsteinlegung – und 1885 unter der Schirmherrschaft von Kronprinzessin Victoria das erste anglikanische Kirchengebäude in Berlin, die St. George’s Anglican Church.

Die Baukosten für das Gotteshaus mit rund 300 Sitzplätzen beliefen sich auf 130.000 Mark, feierliche Einweihung war am 19. November 1885. Finanziert wurde der Sakralbau aus Geldspenden zur Silberhochzeit. Die waren so reichlich, dass auch die Anstellung des anglikanischen Geistlichen dieser Kirche davon bezahlt werden konnte.

25 Jahre zuvor, im Jahr 1860, hatten Kronprinzessin Victoria und Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere Kaiser Friedrich III., der „99-Tage-Kaiser“) in der Englischen Kapelle geheiratet.

Nach englischem Vorbild
Architekt Julius Carl Raschdorff, Professor an der Technischen Hochschule Berlin, unternahm eine Studienreise nach England, um sich dort mit dem anglikanischen Kirchenbau-Stil vertraut zu machen. Sein Entwurf wurde mit hellem schlesischem Sandstein und gesprengten Granitfindlingen realisiert, das Dach reich gemustert und mit farbigem Schiefer gedeckt.

Regierungsbaumeister Otto Raschdorff, der Sohn des Architekten, unterstützte seinen Vater vor allem bei der Innengestaltung der Kirche. An der Decke war das Holzwerk sichtbar, das mit aufgemalten Flachornamenten geschmückt war. Am Fuß des Dachwerks waren Bibelsprüche aufgemalt, ausgewählt von Kronprinzessin Victoria. Den Altarraum schmückten englische Majolika-Fliesen.

Im Laufe der Zeit wurden – dank Stiftungen besonders von der englischen Verwandtschaft – die Glasfenster der Kirche kunstvoll bemalt. Betont schlicht waren der Taufstein, die Kanzel und das Chorgestühl gehalten.
Hochmodern für damalige Verhältnisse war die technische Ausstattung der Kirche: So gab es eine Mitteldruck-Wasserheizung, die durch im Fußboden eingelassene Gitter Wärme verströmte. Im Dachfirst waren Entlüftungsklappen eingearbeitet.

Im Jahr 1888 besuchte Queen Victoria die Kirche. Am 25. Mai 1913 waren König George V. und seine Gemahlin Mary Ehrengäste bei einem Gottesdienst.

Zwischen den Weltkriegen
Großbritannien war für Deutschland im Ersten Weltkrieg Kriegsgegner. So war es eine Besonderheit, dass als einzige anglikanische Kirche in Deutschland St. George’s während des Ersten Weltkriegs geöffnet blieb – da sie unter dem Schutz von Kaiser Wilhelm II. stand. Da viele Mitglieder der anglikanischen Gemeinde jedoch als Angehörige eines Kriegsgegner-Staates Berlin hatten verlassen müssen, konnte die Kirche nur mühsam offengehalten werden – die Kirchgemeinde hatte Existenz- und Finanz-Sorgen.

Der anglikanischen Gemeinde gehörten damals neben Briten auch Amerikaner, Deutsche, Inder, Chinesen, Finnen und Russen an. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche geschlossen und 1943 und 1944 von Bomben der Alliierten getroffen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg
Eine damalige gesetzliche Bestimmung ermächtigte Berlins Stadtverwaltung, von Kriegstrümmern geräumte Gelände zu verstaatlichen und mit Wohnungen zu bebauen. Dies nutzte nach Ansicht von Kritikern besonders die Verwaltung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in Ostberlin, um beschädigte Kirchen unverhältnismäßig häufig zu sprengen.

So setzten im Jahr 1949 Ostberlins SBZ-Machthaber im Zusammenhang mit der Enttrümmerung des Stadtzentrums die Sprengung des kriegsbeschädigten Schlosses Monbijou sowie die Sprengung des Kirchengebäudes durch.

Jüngere Vergangenheit
Im britischen Sektor von Berlin entstand 1950 die neue St. George’s Church als Garnisonkirche der britischen Militärbesatzungsmacht.

Seit dem Abzug der Alliierten 1994 ist die St. George’s Church eine rein zivil genutzte Kirche. Sie wird seit Juni 2012 neben der anglikanischen Gemeinde auch von der Gemeinde der City Kirche Berlin International für ihre Gottesdienste und für TV-Produktionen (Hope for Tomorrow) genutzt. Ein besonderes Ausstattungsmerkmal der Nachfolger-Kirche sind zwei historistische Radleuchter, die aus dem Vorgängerbau aus dem 19. Jahrhundert stammen.

Das verloren geglaubte, ursprünglich von Kronprinzessin Victoria für die erste St. George’s Church gestiftete Kirchensilber wurde 1987 in einem Berliner Keller wiederentdeckt. Die Kirchgemeinde erhielt es zurück und nutzt es seitdem wieder bei Gottesdiensten.

Link: https://de.wikipedia.org/wiki/St._George%E2%80%99s_Church_(Berlin)

Autor:

Holger Zürch

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